Bring back... E C W

Ein Jahr ist es nun her – und wenn man von der „Perfektion“ mehr als offensichtlich weit entfernt war, hat es doch eines ganz deutlich gebracht: es hat verdammt noch mal Gänsehaut bereitet.

Chris Jericho gegen Lance Storm, die Dudleys gegen Tommy Dreamer und den Sandman – Masato Tanaka gegen Mike Awesome. Damn „This Match rules!“. Ja, verdammt, dieses Match hat gerult, dieses Match war awesome, dieses Match war mein ganz persönliches Match des Jahres 2005 und es fand statt bei einer Großveranstaltung, die Monate früher wohl niemand für möglich gehalten hatte. Eine Veranstaltung mit dem Namen „One Night Stand“ – das haut einen noch nicht aus den Socken. Das schockierende sollten die drei Buchstaben vor dieser Bezeichnung sein.

Aus Profitgier entstanden.
Und doch zeigte sich, dass Gier, Konsum und Nostalgie nicht nur den Verkäufer entlohnen. Die ECW war zurück, für eine Nacht, für 120 Minuten, für die Fans. An schönere 120 Minuten kann ich mich im Jahr 2005 nicht erinnern und hätte man das Ganze nicht mit einem Staredown mit den WWE Stars und dem übelst überflüssigen Auftritt der Raddlesnake verdaddelt, dann hätte Vince McMahon es geschafft, einmal mehr Geschichte zu schreiben – für etwas zu sorgen, für dass er früher vergöttert wurde: Er hätte einen weiteren „Moment“ erschaffen. Einen dieser speziellen „Momente“. Einen dieser Momente, wie den Auftritt von Mr Perfect als Special Guest Referee bei WrestleMania, den Titelgewinn HBKs bei WrestleMania 14 oder das Comeback des Dead Man.

Der wahre Profit.
Die Fans meckerten, wie auch ich im vorhergehenden Absatz und mit Sicherheit auch zu gewissen Anteilen zu Recht. „Das war nicht ECW“ – Das war bloß ein blöder Abklatsch des WWE Wrestling unter einer Verkleidung, die das Original beleidigte wie eine billige Elvis-Kopie. Aber war es dann? War es der Haufen Scheiße, der daraus gemacht wurde? Hat Super Crazy Little Guido und Tajiri bei einem billigen Remake bezwungen? Hat Heyman seine geniale Shoot-Rede bei einer Imitation hingelegt? Beleidigte Lance Storm mit seinem Ruhestandsbruch seine eigene Vergangenheit?
Scheiße, nein.
Das war nicht die ECW. Das war sie einfach nicht. Es war etwas, dass ihr gedenken sollte, dass an sie erinnerte. Und in dieser Rolle glänzte es verdammt noch mal. Es war ein Tribut und als solcher wurden alle Beteiligten massig entlohnt.
Der WWE Fan. Er sah seine Stars, schönes Wrestling und durfte über den Tellerrand hinausschauen. Er bekam etwas, dass er bei WWE selten entdeckte: Abwechslung.
Der ECW Fan. Ihm wurde ein Wiedersehen mit dem beschert, was er einst begehrte und was ihn womöglich an das Business band. Er sah das Lionheart und einen Kommentator, der „Wrestling“ kommentierte, kein „Entertainment“.
World Wrestling Entertainment. Kohle. DVD-Verkäufe, Merchandising und eine Buyrate, die Bad Blood wohl kaum erzielt hätte.
Die Teilnehmer. Sie wurden Teil von etwas Großem. Die ECW-Stars durften dieses unbeschreibliche Gefühl noch einmal erleben. Die WWEler stiegen aus ihren Rollen und durften das erleben, was sie bisher nur aus Erzählungen kannten.

One Night Stand.
– jeder, der etwas mit diesem Namen schon mal erlebt hat, weiß, dass es schon bald nach dem Beginn auch ein Ende hat. Frühestens im direkten Anschluss, spätestens aber nach dem Frühstück – im allerschlimmsten Fall spürt man die Folgen erst nach neun Monaten, dann aber richtig. Und so kam es dann.
Der Event ging zu Ende, die Fans legten sich schlafen und am nächsten Tag, weit nach dem Frühstück, schaute man wieder Monday Night RAW – die Show von World Wrestling Entertainment mit seinen Stars Shawn Michaels, Triple H, John Cena und Ric Flair.
Was damals aber keiner ahnen wollte: Die 9-Monate-Regel trat in Kraft. Man hatte bei One Night Stand nicht verhütet und so wuchs nach und nach etwas immer größer Werdendes heran. Zur Geburt nach Neun Monaten sollte es zwar nicht kommen, nach den Verkaufszahlen der DVDs „Rise an Fall“, „One Night Stand“ und „Blood Sport Vol.1“ stand es dann aber endgültig fest: Der Teufel WIRD gebären. Kaiserschnitt – zwölf Monate nach dem verhängnisvollen One Night Stand. Geburtstermin ist die Zusammenkunft, das erneute Treffen, der bedenkliche zweite gemeinsame „One Night Stand“. Die Regel ist damit durchbrochen, das Eis splittert langsam auf. Eine One Night Stand ist halt nur ein One Night Stand, wenn er ein einziges Mal stattfindet. Schon mit dem zweiten Mal wird daraus eine Affäre und genau das ist es, was wir in diesen Tagen – zwei Wochen vor errechnetem Geburtstermin – erleben.
Metapher Ende.

Back to Facts.
Am 11. Juni 2006 findet der zweite von World Wrestling Entertainment ausgerichtete ECW-Pay-Per-View statt und zwei Tage später, am 13. Juni 2006 kehrt die kultigste Liga der Wrestling-Historie auf die Fernsehbildschirme mit eigenständigem Roster zurück. Die ECW wird wieder Shows veranstalten, die ECW ist wieder da.
Ist das eine gute Nachricht?
Die Antwort ist so verdammt einfach. Kann das beim besten Willen eine schlechte Nachricht sein?

Der Name – die Qualität.
Extreme Championship Wrestling ist eine Bezeichnung, mit der ein Fan etwas Festes verbindet. Bekommt er exakt das, was er erwartet, ist er zufrieden. Weicht es auch nur im Geringsten davon ab, dann ist er enttäuscht. Woran man meiner Meinung nach arbeiten muss ist keinesfalls die Ausrichtung und Darstellung der Show, sondern einzig und allein die Erwartung des Fans. Es wird hier etwas geschaffen, dass den Namen von Etwas trägt, das wir einst kannten. „Queen ohne Freddy Merqury ist nicht Queen.“ – doch. Sie heißen immer noch so. Die Band heißt weiterhin Queen und ihre Musik ist nicht schlechter geworden, nur weil Freddy Merqury nicht mehr dabei ist. Sie ist anders geworden, ungewohnt, abweichend von dem, was man einst mit dem Begriff Queen verbunden hat. Genau das passiert mit der ECW – sie wird nicht die Qualität dessen haben, was der Großteil der Fans mit ihrem Namen verbindet. Aber sie wird ebenso wenig zwangsläufig schlechtere Qualität haben – bestenfalls „andere“ Qualität. Gewöhnungsbedürftige Qualität. Und gewöhnungsbedürftig auch nur aus dem lächerlichen Grund, dass hinter dem Namen eine längst vergangene Erwartungshaltung steckt, die zu Erfüllen schier unmöglich ist. Was uns erwartet ist eine Liga, die eigentlich nur aus einem großen Anspruch besteht: Anders zu sein als das Produkt WWE. Das wird es werden. Und selbst wenn es nicht so ist, wenn es genauso wird wie WWE – dann sollten sich die WWE Fans doch nicht beschweren.

Die Stars – Alte, neue und ungewohnte Gesichter.
Sandman, Funk, Sabu, Mahoney. Das muss doch gut werden. Dazu kommen neue, unverbrauchte Stars wie das SAT und andere. Außerdem ehemalige Stars, die zu festem Bestandteil der WWE wurden, wie beispielsweise Rob Van Dam. Und nicht zuletzt natürlich bekannte aber ECW-fremde Gesichter wie wohl bestens mit Kurt Angle oder Test bebeispielt. In meinen Augen die Mischung, die die ganze Sache so überaus interessant macht. Man hat die Stars, die man mit dem Produkt verbindet, die das alte Feeling aufleben lassen können – die schon das sind, wo das Ganze Projekt hingehen soll: Extreme. Neue Gesichter, junge aufstrebende Stars, die es zulassen, frische nie dagewesene Geschichten zu erzählen, zu überraschen, eine eigene Richtung einzuschlagen. Und die etablierten Stars, die die Liga anfangs führen können und zwangsläufig auch müssen, bis genug Potential nachgerückt ist, die das Produkt übernehmen können. Die Entscheidung, Kurt Angle in die ECW einzubinden, halte ich also für gar nicht so verkehrt. Einziges Manko ist natürlich eindeutig, dass er dafür der WWE verloren geht.

Die Zukunft.
Die auch immer die ECW-Geschichte ausgeht, ob sie die Probezeit auf dem SciFi-Kanal überhaupt übersteht, in einem Jahr eingestampft wird oder zum festen Bestandteil der Wrestlingzukunft wird – das spielt zum heutigen Zeitpunkt keine Rolle. Den Versuch wird es immer wert gewesen sein und ich freue mich darauf.

Die ECW ist wieder da.
Ist das eine gute Nachricht?
Die Antwort ist so verdammt einfach. Das kann beim besten Willen keine schlechte Nachricht sein.

30.05.2006