|
Who the F*ck is Marty Jannetty?
Selten hab ich bei Wiedereinstellungen und Entlassungen so mitgefiebert, wie bei denen des Marty Jannetty. Neben Dustin Runnels scheint Marty allerdings auch eine der größten Sammlungen an WWE-Verträgen und anschließenden Entlassungspapieren zu besitzen. Das beweist auf der einen Seite, dass Marty Jannetty sicherlich nicht zu den einfachsten Mitarbeitern für ein Unternehmen gehörte - es beweist aber auch, dass er einer der ganz großen Stars des Business ist, sonst würde man es nicht immer und immer wieder mit ihm versuchen.
Schon sein Debüt bei der World Wrestling Federation gab einen Vorgeschmack auf das, was die Beziehung der Liga zum Wrestler Marty Jannetty noch viele Jahre beherrschen sollte. Im Team der "Midnight Rockers" debütierte Marty 1987 an der Seite eines jungen Mannes namens Shawn Michaels bei der WWF. Über einige Houseshow Auftritte kamen die beiden bei ihrem ersten Run jedoch nie heraus, denn schon nach knapp 20 Tagen erhielten sie schon wieder ihre Papiere. Sie waren der Federation backstage "zu wild" und "feierten zu ausschweifend". Heute ist klar, was sie damals feierten: Sie feierten den endgültigen Beginn ihrer großartigen Karriere, denn nach Auftritten in den damals auch schon sehr prestigeträchtigen NWA und AWA als Midnight Rockers hatten Sie nun die große Bühne betreten.
Okay, 20 Tage sind jetzt keine sooo großartige Leistung und schwer als Sprungbrett in den Karrierehöhepunkt zu bezeichnen. Aber schon damals vollzog sich, was auch viele Jahre später zu beschaulicher Tradition wurde: Kaum ein Jahr später hatten Michaels und Jannetty einen neuen Vertrag, hießen nur noch "Rockers" und starteten in den TV Shows als klassiches 80's-Face-Team durch. Mit anfänglich, ich sag mal "überschaubarem" Erfolg. Doch mit der Zeit entwickelte sich aus einem tanzenden 08/15-Team eine Gemeinschaft, an der kein Weg mehr vorbei ging, wenn von exzellentem Tag Team Wrestling gesprochen wurde. Langsam arbeiteten sich Shawn und Marty vom Jobber-Status in die Midcard hoch und krönten ihren Erfolg im Jahre 1990 mit dem Gewinn der Tag Team Titles. Witzig an diesem Titelwechsel: Sie bezwangen die Hart Foundation, weil man Jim Neidhart nach dem Match entlassen wollte. Das Jannetty-Syndrom ereilte Neidhart, noch lange bevor es Jannetty selber ereilte: The Anvil wurde schon eine Woche nach der Entlassung wieder eingestellt und die Hart's bekamen die Gürtel kampflos zurück, denn man erklärte den Gewinn des Goldes aufgrund eines Rope Breaks nachträglich für ungültig.
Den Moment des Triumphes und den gleichbedeutenden Titelgewinn konnte man den Rockers aber nicht mehr nehmen. Es kam wie es kommen musste: Man splittete die beiden Ende 1991 und eröffnete eine Fehde zwischen ihnen. Wie so oft beim Split eines Tag Teams gibt es einen Nutznießer des Splits und einen, der auf der Strecke bleibt. Schon damals war es mehr als offensichtlich, welches Superstar-Potential in Shawn Michaels steckte. Er übernahm also den Heel-Part und bekam ein neues fein ausgearbeitetes Gimmick. Marty war zwar auch damals schon ein großartiger Wrestler, das Charisma eines HBK um es an die Spitze zu schaffen, hatte er aber leider nicht. Kurzzeitig durfte er Shawn Michaels in der Fehde den Intercontinental Title abnehmen - das war aber auch das einzig nennenswerte Highlight von Jannetty's Post-Rockers-Phase.
Aus der Rolle des Underdog-Faces kam Marty danach nie mehr wirklich heraus. Man steckte ihn in ein Team mit dem farblosen 1-2-3 Kid und ließ die beiden gar die Tag Titles gewinnen - die er dann wieder einmal eine ganze Woche halten durfte. Anfang 1994 verließ er dann die Federation, um drei Halbjahre später wieder zurückzukehren und im selben Charakter ohne neuerliche Facetten oder Weitereintwicklungen präsentiert zu werden. Aber auch dieser Run dauerte kaum ein Jahr, bis Jannetty nach seiner Entlassung tat, was so viele namhafte entlassenen WWF-Worker taten: er wechselte ins Turnerland. Für Scott Hall, Ric Flair, Kevin Nash und viele andere erwies sich dieser Schritt als neue großartige Karrieremöglichkeit - Marty Jannetty zeigte immernoch großartige Leistungen im Ring, spielte aber weiterhin die selbe Rolle des farblosen Face.
Fast 10 Jahre dauerte es, bis Marty wieder von Vince McMahon angeheuert wurde. Damals im Zuge einer Fehde zwischen Kurt Angle und Shawn Michaels, in der Kurt alles erreichen wollte, was HBK zuvor erreichte - so auch einen Sieg über Marty Jannetty. Das Match der zwei bei Smackdown bewies, dass Jannetty auch in einem fortgeschrittenen Alter immernoch zur Premiumklasse der In-Ring-Performer gehörte. Man beließ es also nicht bei dem einen Auftritt und ließ die Rockers eine One Night Only - Rückkehr feiern. WWE war derartig beeindruckt, dass man Marty wieder unter Vertrag nahm. Was habe ich gefeiert, als ich diese Meldung vernahm. Doch nach dieser Vertragsunterzeichnung wurde es still um Jannetty und im Zuge der modern gewordenen Entlassungswellen war die Hoffnung auf einen Neustart schon wieder dahin. Marty saß wieder auf der Straße und trat independant an.
Aber das Rouletterad begann sich gerade erst zu drehen. Nach seiner Fehde gegen Kurt Angle befand sich Shawn Michaels in einer groß angelegten Storyline mit Vince McMahon und der Spirit Squad. Ein Jahr nach der Entlassung tauchte Marty wieder überraschend auf und griff zu Gunsten des Heartbreak Kid in ein Match gegen die Spirit Squad ein. Aber auch dieser Run bedeutete alles andere als den langersehnten Neuanfang. Marty wurde in einem "Kiss my ass Club"-Beitritts-Segment gedehmütigt, eingestellt, entlassen und in einer Art und Weise verabschiedet, die es bis dato noch nicht oft gab: Die Liga gab bekannt, sämtliche professionelle Zusammenarbeit mit Marty Jannetty aufgegeben zu haben und entließ ihn nicht mit den besten Wünschen für die Zukunft.
Es schien somit ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, das so sehr herbeigewünschte Comeback zu erleben. Knapp 6 Monate später entschloss sich WWE jedoch dafür, eine Handvoll Veteranen einzustellen, die junge Männer trainieren sollten und im Ring mit ihnen arbeiten sollten. Einer dieser Namen war - genau, Marty Jannetty, mit dem man ja noch vor einem halben Jahr nie wieder etwas zu tun haben wollte. Und was tat ich? Ich feierte erneut. Was dann jedoch mit ihm und seinem Vertrag passierte, habe ich bis heute nicht verstanden. Zumindest ward er nie wieder bei WWE gesehen und trat schon 3 Monate nach der erneuten Vertragsunterzeichnung und -auflösung wieder independent an.
Damn, bring Marty Jannetty back!
Die Reaktionen bei den zahlreichen Jannetty-Comebacks sprachen eigentlich Bände. Durch den Nostalgie-Effekt, die Popularität von Shawn Michaels und Marty's unbestreitbar große Leistungen im Ring wurde aus einem 90er-Lower-Carder eine Legende, die man einfach bejubelte, weil man es liebte ihn zu sehen. Jim Duggan erfährt heute ähnliche Reaktionen - im Ring sind die beiden Männer jedoch in keinster Weise zu vergleichen. Mit Marty Jannetty könnte man eine Legende verpflichten, die absolut fähig ist, groß angelegte Storylines zu fahren, legendäre Matches zu kämpfen und junge Männer durch gemeinsame On-Air-Arbeit zu fördern.
Ich verehre Marty Jannetty nicht nur, weil ich den Heartbreak Kid verehre. Jeder einzelne Auftritt von Marty machte wieder einen Mark aus mir, versetzte mich zurück in eine andere Zeit. Er verkörpert meine Wrestlingjugend wie kaum ein Zweiter und die Reaktionen des Publikums beweisen, dass ich scheinbar nicht der einzige bin, dem es so geht. Marty Jannetty ist unverfälschte Vergangenheit, die teuflisch gut mit der Gegenwart interagiert. Nicht umsonst bekam er nach seinen beiden Kämpfen bei RAW und Smackdown zu Zeiten der HBK-Angle-Fehde sofort einen Vertrag angeboten. Nicht umsonst stellte man ihn immer und immer wieder ein.
Ich kenne Frederick Oakes nicht, ich kenne nur sein Alter-Ego Marty Jannetty. Von daher kann ich schwer beurteilen, was er backstage für ein Mensch ist - ob er tatsächlich nicht tragbar für World Wrestling Entertainment als Arbeitgeber war. Aber dennoch spricht in erster Linie der Mark aus mir - und dieser Mark sagt, dass ich einen Pay-Per-View bestellen würde, nur weil Marty Jannetty bei der Show ein Match bestreitet. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt und wenn es tatsächlich wieder zu diesem einen letzten Run auf der großen Bühne kommen sollte, dann bin ich nicht nur Fan - dann bin ich wieder Mark. Dank Marty Jannetty.
15.06.2007
|