|
Das Lieblingsgimmick des Chefs zu verkörpern, das kann nur Fluch und Segen zugleich sein. Oft schon erfuhr man von Vince McMahon's erklärter Liebe zu den Big Men des Sports und so entstanden in der Vergangenheit die abstrusesten Push, während athletisch talentierte - aber kleinere - Männer gänzlich unbeachtet blieben. Ja, und innerhalb der so geliebten Big-Men-Riege gibt es dann die Sparte, die Königsklasse, derer, die ihre Artgenossen noch um ein Weites überragten. Das Produkt nennt sich "Riese", zu englisch "Giant" und das Orginal hieß André und er war ein eben solcher.
André the Giant war das Paradebeispiel dafür, wie man einen wahren Riesen im Wrestlingring darstellen muss. Dadurch wurde André zur Kopiervorlage für so viele Plagiate, von denen aber nur ein verschwindend kleiner Teil auch nur nah an André's Liga schrammte. Ein einfacher Elbow Drop reichte damals noch als Finisher aus, um zur verkaufen, dass allein die Masse des Giganten ausreichte, um jeden erdenklichen Gegner zu zerstören - ein großartiges Gimmick oder sonstigen Schnickschnack brauchte man dafür nicht. André the Giant war sein Gimmick, jeder Zentimeter Körpermasse, jedes Gramm Körpergewicht waren sein Gimmick.
Zwar erfüllten viele der neuzeitlicheren Beispiele selbige Voraussetzungen bzgl. Ihrer Größe und Ihres Gewichtes - an Ihrem Scheitern konnte man aber erkennen, dass weit mehr dazu gehörte, als eben einfach ein ziemlicher Bär zu sein. Doch woran scheiterte es im Einzelfall? Bei Giant Gonzales war das ziemlich offensichtlich. Eine kleine Anekdote: früher, in meiner sehr jungen Jugend liebte ich drei Sachen. Masters of the Universe, die World Wrestling Federation und Gummibärchen. Es war somit nur eine Frage der Zeit, bis ich zwei dieser Leidenschaften kombinierte und meine MotU-Figuren mit Gimmicks versah und sie in Wrestlingmatches gegeneinander antreten ließ. Die Figuren besaßen ganze 5 Gelenke - zwei am Beinansatz, zwei an der Schulter und eines am Hals. Während sich die Beine dreidimensional bewegen ließen, ging das mit den Armen nur in der zweiten Dimension. Was das ganze jetzt mit Giant Gonzales zu tun hat, mag man sich fragen… Und die Antwort ist ganz einfach - denn selbst mit meinen 5-gelenkigen Freunden aus Plastik konnte ich mehr unterschiedliche Moves ausführen, als es Giant Gonzales im wirklichen Leben konnte. Und trotzdem erntete er sofort eine Hauptstoryline gegen einen der größten WWF-Stars. Faktor 1 seines Scheiterns also das ausgesprochene Untalent - Faktor 2 dürfte dieses maßlos, wirklich, maßlos lächerliche Outfit gewesen sein.
Wie weit es mit Giant Silva's wrestlerischen Fähigkeiten her ist, kann ich kaum beurteilen, da er bei WWE nur sehr sporadisch für In-Ring-Auftritte eingesetzt wurde. Sicherlich auch mit ein Grund seines Scheiterns. Bei ihm kam noch hinzu, dass man vom althergebrachten "Ich bin ein Riese, ich bin böse"-Gimmick absah und ihn gemeinsam mit den restlichen Oddities bis zu Unkenntlichkeit Face turnte. Nicht nur die Zuschauer warf das in eine schwere Depression, sondern auch Silva selber, der daraufhin seine Wrestlingstiefel an den Nagel hing und sich fortan von echten Kämpfern in echten Kämpfen verhauen ließ.
Einige Jahre später ließ man einen Mann debütieren, der es seinem Vorgänger Gonzales nachmachte und gleich als Einstieg eine Fehde gegen den Undertaker serviert bekam. Der Mann hieß "The Great Khali" und stellte einen großen bösen Inder dar. Das funktionierte. Natürlich war auch er im Ring kein Evan Bourne, gegen eine meiner MotU-Figuren hätte er aber in jedem Falle gewonnen. Zunächst lief auch alles Sahne mit dem Inder - selbst einen Undertaker-Squash gönnte man ihm; etwas, das es zuvor noch niemals in dieser Form gab. Der Push des Great Khali verstummte aber noch während seiner Debut-Fehde und schnell fand sich der Riese in der Midcard wieder, aus der man ihn erst befreite, als man schnell einen glaubwürdigen World Champion brauchte. Sicherlich erhält man unterm Strich auch beim Great Khali keinen zweiten André the Giant - von einer gescheiterten Existenz kann man bei ihm aber auch nicht sprechen.
Am nähesten an das Original schaffte es aber ein ganz anderer Athlet. Nicht irgendein Athlet, sondern der nach eigenen Angaben "größte Athlet der Welt". Bei World Championship Wrestling machte man aus dem Vorhaben, einen zweiten André erschaffen zu wollen auch gar keinen Hehl und so ließ man Paul Wight schlicht und ergreifend als "The Giant" debütieren und behauptete, er sei André's Sohn. Schnell flog das auf - klar, dem Wrestlingpublikum kann man in solchen Angelegenheiten natürlich nichts vormachen… ähm… okay. Wight wechselte zu McMahon und wurde zu The Big Show, dem ersten Riesen, dem man neben seiner Körpergröße versuchte, Profil zu verschaffen. The Big Show war kein reines Monster - er war ein klar denkender, hochintelligenter Sportler, der halt einfach als Kind mal in den Zaubertrank gefallen ist. Dieses Profil, Big Show's Charisma und seine für die Körpermasse beeindruckenden In-Ring-Skills stellten als Gesamtpaket alles in den Schatten, was sich bisher "Giant" nennen durfte - selbst die Legende des André the Giant.
Macht das Big Show zu einem besseren Riesen als André? Ja, ich denke, das tut es. Und doch hätte vermutlich niemand anderer besser in André's Zeit und in André's Fehden gepasst als er selber. Ich möchte also nicht sagen, dass man mit der Kreation des Big Show das Originalprodukt in den Schatten stellte - nein, man schenkte dem Gimmick ein Update und passte es seiner Zeit an und das macht sowohl André the Giant als auch The Big Show zu den besten Riesen ihrer Generation.
|
|