|
"Ich bin ein Berliner!", stöhnte John F. Kennedy bei seiner berühmten Rede 1963 vorm Rathaus Schöneberg. War natürlich gelogen, denn wie jeder Geschichtsfanatiker weiß, stammt der jüngste Präsident der Geschichte unserer Lieblingspatrioten aus dem wohl unaussprechlichsten aller amerikanischen Bundesstaaten, Massachusetts. Genau darin lag aber damals der Zauber dieser Rede - Kennedy war kein Deutscher, er war kein Berliner. Er war ein Amerikaner und damit eigentlich erklärter, ich will nicht sagen "Feind", aber zumindest niemand, der freiwillig seine Wurzeln verleugnete, um sich nichtmal 20 Jahre nach dem Holocaust zu einem der wohl noch am negativsten belasteten Weltstaaten zu bekennen. Natürlich wollte JFK niemandem tatsächlich weiß machen, dass er aus Berlin stammte, sondern vielmehr seine Liebe zu dieser Stadt, zu diesem Land ausdrücken und für Solidarität in der Bevölkerung werben - aber genau das macht diesen so wrestlingfremden Vergleich ja grad so passend.
Hier soll es schließlich um jenes Produkt gehen, welches derer Wrestlinggimmicks beschreibt, die einen Ausländer als Amerika-Fan darstellen sollten. Der passendste Direktvergleich dürfte hier wohl der japanische Fleischspieß Kenzo Suzuki sein, der sich mit seinem "I Love Amelica" wohl am dichtesten an seinem politischen Vorbild orientierte. Aber auch Kenzo war bereits ein Plagiat, denn nur kurze Zeit zuvor trieb ein Mann namens Muhammad Hassan bei World Wrestling Entertainment sein Unwesen. Ihn stellte man als Araber dar, was alleine schon dafür sorgte, dass er seit der ersten Sekunde seines ersten Auftrittes der neue Top-Heel der Liga war. Schwarzer Vollbart, Turban und arabische Gesänge bedienten jedes sich bietende Klischee - betrachtete man sein Entrance-Video konnte man hinter den arabischen Schriftzeichen aber eine ganze Reihe amerikanischer Wahrzeichen wie die Freiheitsstatue, die Abe-Lincoln-Figur oder Mount Rushmore erkennen. Genau darin lag der Clou des Gimmicks: Muhammad Hassan war Amerikaner. In-Gimmick. Es war ein Geniestreich und funktionierte genau bis zu dem Zeitpunkt, als man maskierte Terroristen in seine Matches eingreifen ließ. Nur wenige Wochen später erzwang der Fernsehsender, der Smackdown damals ausstrahlte, das Ende des Gimmicks und indirekt auch die Entlassung von Hassan.
Von der Idee des ursprünglichen Gimmickansatzes war man jedoch weiterhin dermaßen begeistert, dass man es kurz drauf schon dem nächsten aufdrückte. Dieses Mal bediente man sich der zweiten Hasskategorie der Amerikaner, was den Rest der Welt angeht: Japaner. Kenzo Suzuki war der typische japanische Heel, tanzte aber wie bescheuert in den amerikanischen Nationalflaggen herum - Suzuki war nur peinlich. Im Gegensatz zu Hassan konnte er das Publikum in keinster Weise in seinen Bann ziehen und so wurde der Ansatz des amerikaliebenden Asiaten schnell wieder fallengelassen und er rutschte zurück ins Muster: Böser ausländischer Heel - und als solcher gewann er sogar Gold, an der Seite des bösen ausländischen Pseudo-Franzosen René Dupree.
Dieses Mal vergingen ein paar wenige Jahre, bis wieder einmal einem Booker das Manuskript zu dieser Gimmickidee in die Hand fiel. Lassen wir nochmal kurz Revue passieren: Wir hatten den Araber und wir hatten den Japaner - wer fehlte also noch? Klar, der Russe. Und so kam es, dass eines Tages ein gut gelaunter Osteuropäer neben dem Ring auftauchte und uns wissen ließ: "I love Double Double E!", was so viel bedeuten sollte wie "Ich find WWE dufte!". Vladimir Kozlov erlitt die mit Abstand schnellste Bauchlandung und bekam bereits nach einer handvoll Auftritte als amerikaliebender Bolschevik den Gimmickgnadenschuss verpasst. Wenige Monate später kehrte er zurück - als… na, erraten? Genau. Als Großer böser ausländischer Heel.
|
|