[B²]
Der lange Weg bei der World Wrestling Federation begann für Barry Buchanan wie für viele vor ihm als Teil einer belanglosen Gruppierung. Zwar war die Truth Commission auf ihre eigene – strange – Art und Weise irgendwie cool, was aber hauptsächlich am Interrogator lag. Sniper und Recon, die anderen beiden wrestlenden Mitglieder waren da nur Beiwerk, um die Truppe voll zu kriegen. Recon, das war Barry Buchanan. Mit dem Ende der Truth Commission nannte er sich bereits Buchanan, an der Seite des Bossman stellte er ein „Bull“ vor seinen bürgerlichen Nachnamen und trieb seither als „Bull Buchanan“ sein Unwesen. Egal ob bei der Truth Com., Armageddon, dem Bossman oder Right To Censor – eines hatten die unzähligen Gimmickansätze immer gemeinsam: Buchanan war ein finster drein schauender Mann ohne herausragende Skills und Charisma.

Zumindest einer dieser drei ständigen Eigenschaften sollte sich  Ende 2002 ändern, als aus dem charisma- und talentfreien finster drein schauenden Bull Buchanan der charisma- und talentfreie Hip-Hop-Buddy John Cena’s wurde. Für Cena sollte sich dieser Gimmickwechsel mit Blick auf die Geschichte als pures Gold erweisen, beachtet  man allerdings, dass er seine ersten Gehversuche im Rap-Gimmick mit einem Typen namens „B²“ an seiner Seite versuchte, schaudert es einem. Während Cena in die Rolle passte wie Arsch auf Eimer, wirkte Buchanan dermaßen fehl am Platze, dass es nicht sonderlich schockte, als er nach zwei Monaten im HipHop-Gimmick von Cena In-Gimmick verraten und von Vince McMahon Off-Gimmick entlassen wurde. Ersetzt durch „Redd Dogg“ aka Rodney Mack, der gelinde gesagt nicht einmal wohlwollend als das geringere Übel bezeichnet werden konnte. Mit dem B²-Gimmick bewies World Wrestling Entertainment, dass man halt doch nicht jeden beliebigen Star in jedes beliebige Gimmick stecken konnte. Ein lustiger Hut und ein charismatischer Partner machen aus einem jahrelang im Status der Nullnummer gewachsenen Athleten keinen Star. Für Barry Buchanan rundete man mit seinem letzten Run bei WWE lediglich eine schaurige Gimmick-Historie auf dem absoluten Zenit ab.

[Big Dick Johnson]
Provokant – Ekel erregend – und überaus kurzlebig. So könnte man den Big-Dick-Johnson-Charakter in drei kurzen Phrasen am besten beschreiben. Wir schrieben das Jahr 2006 und Vince McMahon hatte jüngst den grandiosen Einfall nach dem Vorjahreserfolg des „ECW One Night Stand“ Fulltime zurückzubringen, was so viele Wrestlingfans schmerzlich vermissten: E-C-W. McMahon veranstaltete einen zweiten One Night Stand und öffnete im direkten Anschluss seinen dritten Brand. Die Masse der Dinge, die er hierbei falsch machte, wäre vermutlich einen eigenen Gimmick-Müll-Eintrag wert. In den ersten Wochen beschäftigte er eine ganze Reihe alter ECW-Stars, angeführt von großen Legenden wie Tommy Dreamer, Sabu und dem Sandman. Letzterer galt als absolute Sensation und ihm kam die unbedingte Ehre zuteil, das erste Match der wiederauferstandenen ECW zu bestreiten. Das Motto des Kampfes zog sich durch viele Wochen der ECW Show und lässt sich grob mit „Sandmann beats Freaks“ beschreiben. Die Gegner der ECW-Legende waren stets abgedrehte Charaktere, die mit den Shows nichts zu tun hatten und lediglich dazu dienen sollten, in kürzester Zeit den Gram des Publikums auf sich zu ziehen, um im Anschluss vom Sandman mit dessen Singapore Cane verdroschen zu werden.

An einem Abend jedoch trat ein Freak auf, bei dem es nicht bei diesem einen Auftritt bleiben sollte. Die Rede ist von Big Dick Johnson, einem unförmigen männlichen Stripper, dem dieselbe sandman’sche Abreibung zuteil wurde wie seinen Vorgängern auch. Doch in Johnson sah man anscheinend erhöhtes Unterhaltungspotential und beförderte ihn in Comedy-Segmente der A-Shows und zu guter Letzt gar in Pay-Per-Views. Die Story war stets dieselbe – und sie endete jedes Mal mit einem ekelerregenden Striptease des unförmigen kleinen dicken Mannes. Ob als Geburtstagsgeschenk für The Miz oder als Weihnachtsmann persönlich. Die Auftritte waren Provokant, die Segmente Ekel erregent und das Gimmick – Gott sei’s gedankt – überaus kurzlebig.

[Billy & Chuck]
Billy Gunn begann seine Karriere im McMahon-Land als netter Cowboy von Nebenan. Durch Mitwirken des Honky Tonk Man wurde aus ihm ein Rockabilly-Boy und erst als Teil der New Age Outlaws fand Gunn seine Bestimmung. Man sollte ahnen, dass man einen Mann, der seinen Gimmick-Zenit erreicht hat dort in Ruhe lassen sollte – nicht so bei Billy Gunn. Zwar war das Gimmick als „Der einzige“ Billy Gunn eine Steigerung zu seinem ersten Singles Run nach dem Ende der dX als „Herr Arsch“ Billy Gunn, knüpfte aber keineswegs an die Erfolge der Outlaw-Zeit an. Billy kam und ging einige Male, stand aufgrund der Nachwehen seiner großartigen Popularität aber immer mitten in der Midcard. Als sein Stern zu sinken begann und er ausschließlich in der B-Show Velocity zu sehen war, gab man ihm 2002 das womit er zuvor auch stets die größten Erfolge feierte: einen Tag Team Partner. Sein Name war Chuck Palumbo und auch er war durchaus erfahren, was Tag Team Wrestling angeht und mittlerweile ebenfalls recht erfolglos als Singles-Wrestler unterwegs. Die gemeinsame Geschichte von Billy Gunn und Chuck Palumbo begann bei Velocity, als sie sich gegenseitig halfen und eine – so schien es – echte Männerfreundschaft miteinander begannen.

Männerfreundschaft. Nunja. Das Ganze begann etwas weird zu werden, als sie sich Stirnbänder im gleichen Design zulegten und ihre Outfits aneinander anpassten. Nicht nur, dass ihre Namen nun in weißer Schrift auf rotem Grund auf ihre Stirn geschrieben waren, sie färbten sich schließlich auch die Haare wasserstoffblond und bekamen einen Betreuer zur Seite gestellt. Er hieß Rico und war kein Manager oder Trainer – er war der Style-Berater von „Billy & Chuck“, wie sich das Team mittlerweile nannte. Man muss es nicht gesehen haben, um die Wärme dieses Gimmicks zu spüren. Billy & Chuck wurden sehr schnell Tag Team Champions und traten in dieser Rolle gar bei WrestleMania auf. Sie waren Teil einer der ersten Crossbrand-Storylines, was damals echt noch etwas Sensationelles war. Ja, und schließlich ging Chuck auf die Knie und machte seinem „Buddy“ einen Heiratsantrag. Das war auf der einen Seite die Krönung dieses bescheuerten Teams, auf der anderen Seite glücklicher Weise auch der Anfang vom Ende. Die Hochzeit endete in einem „Shoot“ der zwei, bei dem sie beteuerten nicht schwul zu sein. Das Team wurde eingestampft. Beide Männer versanken im Schatten ihres Schwulengimmicks in der Versenkung. Gunn wechselte zu TNA und Palumbo schrieb man wenige Jahre später ein übertrieben männliches Gimmick auf den Leib – als harter Biker, der die Route 66 auf und ab tourte. In engen Lederklamotten – pfui, wer da Parallelen sieht.

[Boogeyman, The]
Zu einer Zeit, in der Papa Shango längst ein pensionierter Lude ist – ist da Platz für einen Traum-Zauberer? Schwer, diese Frage zu beantworten. Was bei uns in Deutschland der „schwarze Mann“ ist, ist für die Amerikaner der „Boogeyman“. Die Gestalt, die den Kindern den Schlaf raubt, der sie holt, sollten sie nicht artig sein. Für Marty Wright wurde diese Gestalt 2005 zu wesentlich mehr – zur wohl letzten und auch einzigen Chance, auf der großen Wrestlingbühne Fuß zu fassen. Im stolzen Debütantenalter von 41 Jahren könnte er ein alter Schulkamerad von Shawn Michaels sein, bloß dass dieser bereits 20 Jahre seines Lebens im Squared Circle verbracht hatte. Wright war weder durch sonderlich herausstechendes Charisma, noch durch Micwork oder den Ansatz vorhandener In-Ring-Skills gesegnet. Lediglich sein McMahon-kompatibler Körperbau ermöglichte es ihm, ein Try-Out-Run in der Farmliga OVW zu bekommen. Hier steckte man Wright in das Kostüm des Boogeymans und eröffnete ihm damit eine große Karriere. Ein wenig Feinschliff und eine Handvoll großartiger Promovideos und der Boogeyman war reif für die große Bühne.

Detailverliebt führte man dem Smackdown-Publikum Ende 2005 den neuen Schock-Charakter vor und versuchte ihn entgegen aller Vernunft als Face in den Shows zu etablieren. Schnell merkte auch der blindeste Fan, dass er es zwar mit einer besonderen Attraktion, nicht aber mit einem großartigen Athleten zu tun hatte.

Der anfängliche Hype nahm ab. Squash-Siege über ehemalige World Champions wie JBL oder Booker T. verärgerten das Publikum mehr als dass es sie beglückte. Das abgedrehte – herausstechende war in den ersten Wochen das, was den Boogeyman ausmachte und so schraubte man an diesem Rädchen einfach ein bißchen weiter, um der sinkenden Popularität des Boogeymans entgegen zu wirken. Wright begann, Würmer zu essen. Echte lebende Würmer. Nach seinen Kämpfen verfütterte er diese an seine Gegner und langsam aber sicher wandelte sich ein schön ausformulierter Charakter zur absoluten Ekelnummer, bei der die fehlenden Skills langsam zum kleinsten Übel wurden. Wright machte dabei eigentlich alles richtig. Der innovative Einmarsch mit rotem Nebel, bei dem er kriechend den Saal betrat – der krumme Holzstab aus dem roter Qualm empor stieg, die Uhr, die er sich auf dem Weg zum Ring auf den Schädel hämmerte und allem voran die geniale Bewegung und Mimik, die den Boogeyman über das Gimmick hinaus einzigartig machte. Allein die Blockade des Bookingteams gegenüber einem Wandel des Charakters ließ all diese Ansätze abstumpfen. Man zog 2007 die Notbremse und steckte den Boogeyman in die ECW. Anstatt ihn zu turnen oder ihm einen anderen Neuanfang zu gewähren, ekelte er das Publikum weiter durch lustlose Storylines und kiloweisen Würmerverzehr an. Und so geht der Boogeyman als eines der Gimmicks in die Geschichtsbücher an, dass man dadurch zerstört hat, dass man es nicht veränderte.

[Conquistadors, Los]
In den späten 80er-Jahren startete die WWF einen seiner zahlreichen Versuche, mexikanisches Wrestling in seinen Shows zu etablieren. Eine Facette dieses Versuches war das Team der Conquistadors, zweier mexikanischer Stars, die in güldenen Anzügen in der Tag Team Division für Furore sorgten. Das sage ich frei jeglicher Ironie, denn Jose Estrada und Jose Riviera waren nicht gerade unerfolgreich und bezwangen gar legendäre Teams wir die Rockers oder die Rougeaus. Warum also tauchen sie im Gimmickmüll auf? Weil ihre Outfits blöd aussahen? Weil sie als charismatische Mexikaner hinter Masken versteckt wurden? Oder weil sie niemals den großen Durchbruch schafften? Nein, sie tauchen im Gimmickmüll auf, weil es hier nicht um sie geht. Es geht hier nicht um Estrada und Riviera, sondern um die zahlreichen Wiederauflagen des Teams, in denen man verschiedene Wrestler in goldene Anzüge steckte und als „Conquistadors“ auftreten ließ.

So geschehen im Jahr 2000, als die Tag Team Szene bei World Wrestling Entertainment einen Qualitäts-Boom erlebte. Edge & Christian, die Dudley Boyz, Acolytes, Hardyz und die New Age Outlaws sind da nur wenige Beispiele derer Teams, die dem Tag Team Gold um die Jahrtausendwende zu großem Wert verhalfen. Eine der Hauptfehden und bis dato vermutlich besten Tag-Team-Fehden des neuen Jahrtausends war die Fehde zwischen Edge und Christian auf der einen und Matt Hardy und Jeff Hardy auf der anderen Seite. Neben allen großartigen Kämpfen, Leitermatches und der Geburtsstunde von TLC gab es in dieser Fehde aber eben auch das Comeback der Conquistadors. Nachdem Edge und sein Storyline-Bruder Christian weitere Titelchancen auf das Gold der Hardyz verwehrt bekamen, debütierten in der Folgewoche überraschend die goldenen Conquistadors. Sie besiegten zunächst die Dudleyz und gewannen schließlich eine Battle Royal, bei der es um einen Title-Shot gehen sollte. Dabei machte man in den Aktionen und Gestiken nie einen Hehl daraus, dass es Christian und Edge waren, die sich unter den goldenen Masken befanden. Beim Titelkampf gelang es den Conquistadors dann tatsächlich, die Hardyz zu besiegen und ihre goldenen Umhänge um ein weiteres goldenes Accessoire zu erweitern. Richtig bescheuert wurde es dann, als man die neuen Champs Backstage sah und ihnen von vollkommen erschöpften Christian und Edge zum Titelgewinn gratuliert wurde. Niemand geringerer als Christopher Daniels und Aaron „Jesus“ Aguilera steckten unter den Masken. In der Folgewoche forderten E&C dann die neuen Champs heraus und erwarteten von Daniels und Aguilera den klaren Jobs für die „Brüder“. Zu aller Überraschung *hust* gewannen die Conquistadors den Kampf und demaskierten sich – die Hardyz kamen zum Vorschein. Alles klar?

[Diamond Dallas Page]
Der Aufstieg von DDP bei World Championship Wrestling war gezeichnet wie in einem Bilderbuch. Er begann seine Karriere als Manager und begleitete unter anderem die späteren Outsiders Vinnie Vegas und Diamond Studd zum Ring. Anfang der 90er schaffte er den Sprung in den Ring und erfüllte sich damit einen Lebenstraum. Über viele Jahre hinweg entwickelte sich Diamond Dallas Page von einem unbedeutenden Midcarder zum Uppercarder bis in den Main Event, was schließlich durch seinen ersten World Title Gewinn im Jahr 1999 gekrönt wurde. DDP war eine Nummer. Mit Ric Flair, Sting und Hulk Hogan besiegte er in seinem Titelkampf nicht irgendwen, sondern die drei mächtigsten Wrestler in der Geschichte des Unternehmens. Ab diesem Zeitpunkt war Page unsterblich und aus dem Main Event in Turnerland nicht mehr wegzudenken. Das änderte sich auch nicht bis zum Ende der WCW im Jahr 2001.

Diamond Dallas Page war damals einer der ersten Ex-WCWler, die aktiv in die Shows von World Wrestling Entertainment eingriffen. Standesgemäß, wie es sich für einen Star seinen Kalibers gehörte, startete er sofort in eine riesig angelegte Storyline gegen den Undertaker. „Make me famous“ war der Leitsatz und man schien DDP tatsächlich groß einsteigen zu lassen. Mit dem Beginn der Invasion-Storyline war er einer der Leitfiguren des WCW-Stables, doch nach dem Ende dieser Storyline ging es steil bergab mit DDP. Man hatte die WCW-Stars durch die eigenen wie Kurt Angle oder Steve Austin ersetzt und es waren längst nur noch WWEler, die mit den Championtiteln der alten WCW umher liefen. DDP belohnte man zwar auch mit Gold, mehr als der European Title war einem der ehemalige Superstar aber anscheinend nicht mehr wert. Die ultimative Schmach verabreichte man Page, als man versuchte ihm ein Gimmick zu verpassen. World Champions brauchen keine Gimmicks, World Champions sind ihr Gimmick. Das ignorierte WWE und ließ DDP in den berühmten „It’s not a bad thing – it’s a good thing“-Spots auftreten. Spots, bei denen Page allem versuchte, positives abzugewinnen und dabei immer dämlich in die Kamera grinste. Er verkam zu einem Comedy-Charakter. Das Publikum hasste es. Es wollte keinen Diamond Dallas Page in irgendeinem Gimmick sehen, sie wollten ihren „People’s Champion“ sehen, den Bang erleben. Den einzigen, den diese Farce nicht zu stören schien, war DDP selber. Er sagte stets „Hey, that’s not a bad thing – it’s a good thing!”.

Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!