Teil 2:
Ich packe meinen Koffer und bin raus, mein Kind – Money in the Bank


Wie man es auch dreht und wendet – seien wir doch mal ehrlich, am Ende geht doch alles immer nur um’s Geld. Um Kohle, den ganz großen Schotter. „Everybody has a price!“ – „Money Money Yeah Yeah“ – nur wenige Zitate aus der Welt des Wrestling, bei denen es um eben jenes Zahlungsmittel geht. Na klar, Wrestling ist schon seit vielen Jahren so sehr viel mehr als ein Sport oder bloß eine Unterhaltungsform. Wrestling ist eine Branche, die Ligen sind Unternehmen, die Promoter Top-Manager. Vollkommen klar also, dass auch in diesem Business alles nur aus einem Grund geschieht: Jeder Beteiligte will die dicken Scheine damit machen. Das ist auch gar nicht verwerflich – schließlich passiert das (größtenteils) zu unserem Wohl. Dem Wohl derjenigen, die das Produkt lieben, der Konsumenten quasi. Denn nur wenn man diese befriedigt, dann macht man Kohle und füllt sein Bankkonto. Dann, ja, genau dann, hat man Geld auf der Bank.

Der geneigte Leser und ständige Verfolger der deutschsprachig kommentierten WWE-Shows mag nun denken, was das denn für eine geile Überleitung war. Doch weit gefehlt. Denn trotz der Schwafelei über das Business, das Geld und die Tatsache, dass sich alles nur darum drehe und speziell des Ausspruches „Geld auf der Bank“ hat die amerikanische Floskel „Money in the bank“ rein gar nichts, absolut null-komma-nichts damit zu tun. Also mit Geld. Und Bank. Klar, wenn Otto-Normal-Verbraucher sagt, dass er Geld auf seinem Bankkonto hat, dann sagt er auch in Amerika, er habe „Money in the Bank“, das Sprichwort meint aber mehr so was wie „etwas in Petto haben“, „ein As im Ärmel haben“ oder so. Mit Kohle hat das nichts zu tun. Und seien wir mal ehrlich, das würde auch überhaupt keinen Sinn ergeben, wenn wir hier vom Money-in-the-Bank-Ladder-Match reden. Worum es nämlich geht, das ist das sprichwörtliche As im Ärmel und kein 100-Euro-Schein, den Vince McMahon zur Belohnung auf das Bankkonto des Siegers überweist. Ein As im Ärmel – darum geht es, den Joker – die Möglichkeit, wann immer man Lust und Laune hat, einen der beiden Major-Championship-Inhaber auf der Stelle zu einem Titelkampf herauszufordern. Ab dem Tag des Gewinns bis spätestens zum Abend der nächsten WrestleMania – so sind die Regeln.

Money owns Pudding

Fünf Mal kamen wir bisher in den Genuss eines solchen Money-in-the-Bank-Ladder-Matches. Fünf Mal traten je nach aktueller Booking-Philosophie und Drug-Policy-Verstößen zwischen sechs und acht Männern bei WrestleMania an, mit dem Ziel, einen über dem Ring hängenden Koffer abzunehmen und eben jene beschriebene Titelchance zu ergattern. Schon bei WrestleMania 21, wenige Sekunden nach dem Ende des ersten MitB-Matches war klar: das haben wir nicht zum letzten Mal erlebt und so kam es schließlich auch, dass uns WWE in trauter Gewohnheit, Jahr auf’s Jahr erneut einen solchen Kampf bei seiner Jahreshauptshow präsentierte. Jedes Jahr dasselbe… Mag man da nach dem Vorwurf der Unkreativität schreien? Oh nein, ganz sicher nicht. Vielmehr tut World Wrestling Entertainment das einzig richtige – denn schaut man sich die letzten fünf Jahre an, mit all seinen Kreationen, guten wie schlechten, Pudding Matches und Punjabi Prisons, Scramble Matches und das Comeback des Hog Pen’s – dann lässt sich doch neidlos anerkennen, dass man mit dem Money-in-the-Bank-Match sein neuerliches Meisterwerk erschuf.

Doch kann man etwas als „Meisterwerk“ bezeichnen, das es eigentlich schon lange gab? Denn seien wir mal ehrlich – so neu war die Idee eines Ladder-Matches nun wirklich nicht. In der Tat, diesen Vorwurf müsste man sich gefallen lassen. Jedoch nur, wenn man sich auf eine engstirnige Diskussion einlassen will, bei der bewusst Tatsachen und Rahmenbedingungen außer Acht gelassen werden. Zunächst einmal kämpfen in diesem Match nicht einfach 2 Männer oder ein Tag Team gegeneinander, sondern eine Mindestzahl von sechs Kontrahenten. Ein MitB-Ladder-Match hat damit vom Aufbau und der Matchphilosophie schon mal gar nichts mehr mit einem normalen Leitermatch gemein – bis auf die Tatsache, dass man gewinnt, indem man einen über den Ring baumelnden Gegenstand abnimmt, und halt der Leiter. Es ist ein Sport-Festival, es ist eine perfekt choreographierte Unterhaltungsshow. Zweiter Knackpunkt: Über dem Ring hängt kein Gürtel. Es geht um keinen Titel, es geht bloß um einen Vertrag – was so banal und langweilig klingt, ist in Wirklichkeit aber genau das, was das Match so einzigartig, spannend und bedeutsam macht. Mit dem Sieger wird an diesem Abend ein Champion gekrönt, ohne ihm die Krone aufzusetzen. Mit dem Sieger erhält ein verdienter Midcarder seine Chance auf Bewährung im Main Event und der Fan erhält die Garantie auf mindestens einen geilen Überraschungsmoment im Folgejahr. Ja, und als wäre das noch nicht genug, schafft es WWE obendrein mit diesem Match, vielen seiner Stars auch bei WrestleMania eine Präsentationsbühne zu verschaffen – was in Singles-Matches niemals möglich gewesen wäre. Money in the Bank – es ist ein Meisterwerk und in all seinen fünf Jahren hat uns dieser Kampf nicht in einem einzigen Jahr enttäuscht. Nicht der Kampf und nicht das, was daraus entstand.

Money becomes rated „R“

Aber der Reihe nach. Gerade in den ersten drei Jahren gab man sich besonders Mühe, das Einlösen des Koffers auf möglichst unterschiedliche und neue Arten und Weisen zu verkaufen, was teilweise auch gelang, bevor man sich in Jahr Nummer 4 wieder auf das althergebrachte Szenario verließ, um in Jahr fünf mit dem selben Gesicht wieder eine leicht abgewandelte Bahn einzuschlagen. Egal von wem wir reden, egal in welchem Jahr wir uns befinden und wer denn letztlich als Kofferträger WrestleMania verließ – eines hatte bisher jede Money-in-the-Bank-Entscheidung gemein: Sie hatte irgendwie immer mit Edge zu tun. Der Rated R Superstar, der nicht zuletzt aufgrund seines Sieges im Debütjahr 2005 den Beinamen des „Ultimate Opportunists“ bekam. Denn immer war es entweder Edge, der per Cash-In zum neuen Champion wurde, oder er war es, der den Gürtel verlor. Und selbst in dem Jahr, in dem er eigentlich nicht am Titelkampf teilnahm, brachte er zumindest per Eingriff die Entscheidung. Ja, und auch wenn immer so schön von „Mr. Money in the Bank“ die Rede ist, wenn vom Sieger des Leitermatches die Rede ist, so dürfte doch klar sein, dass der einzig wahre Inhaber dieses Namens Adam Copeland lautet.

Gleich zu Beginn empfahl er sich für diesen Bürdenschlag, als er bei der Premiere bei WrestleMania 21 Kane, Chris Benoit, Christian, Shelton Benjamin und Chris Jericho besiegte. Fortan tingelte Edge, seines Zeichens damals noch aufstrebender Midcarder ohne World Title Erfolge, mit dem Köfferchen durch die Gegend. Lange lange Zeit blieb der Koffer sein ständiger Begleiter und das war auch gut so, denn der Spannungsbogen blieb somit über viele Monate bis kurz vorm Zerreißen gespannt. Klar, denn damals war uns noch gar nicht bewusst, welche Möglichkeiten, welch Situationen aus dem Einlösen entstehen können. Erst 10 Monate nach seinem Gewinn bescherte uns Edge den wohl größten modernen Mark-Out. Wir befanden uns in der Zeit, als sich John Cena erstmals in seiner Karriere zur Hassfigur Nummer 1 der Smart-Mark-Gemeinde hoch kämpfte. Wieder ließ man ihn ein Match – und dann auch noch die Elimination Chamber – auf eine plumpe Art und Weise gewinnen, was den Hass und das Unverständnis gegenüber des Booking-Teams nur verstärken konnte. Dann kam McMahon, sagte den berühmten Satz „This night is not over“ und zwei Spears später war Edge erstmals World Champion und die Rated R Era begann. Der Impact war gewaltig und WWE schlug sich selbst zum Ritter – einer der größten Momente der neuzeitlichen WWE-Geschichte wurde geschaffen und der Fan war einfach nur zufrieden.

Money goes Extreme

Ein Jahr später tauschte man bis auf MitB-Maskottchen Shelton Benjamin sämtliche Teilnehmer aus und präsentierte uns mit Matt Hardy, Bobby Lashley, Finlay, Ric Flair und Rob Van Dam gleich fünf Debütanten in dieser Matchart. RVD holte das Ding und dachte gar nicht daran, sich einen Vorteil durch den Überraschungsmoment zu verschaffen. Nein, er holte sich einen ganz eigenen Vorteil mit dem Koffer – und der hieß ECW. Knapp einen Monat vor dem zweiten One Night Stand PPV forderte RVD per Cash-In ganz offiziell den Champion John Cena heraus und betrat mit ihm den Hammerstein Ballroom. „If Cena wins we riot!“ – wer dieses Match gesehen hat, der weiß, was ab geht. Der Kampf ist eine Legende und er machte nebenbei mit Rob Van Dam einen der verdientesten Worker endlich zum World Champion. Doch erstmals schnupperte man hier an der Luft, die nach einem Midcarder mit zu großem World Championship Gold stank. RVD trug zwar den neu geschaffenen ECW-Brand mit Bravour – als WWE Champion wirkte er jedoch wie auf verlorenem Posten und war das Gold sehr schnell schon wieder los.

Noch schneller ging es allerdings 2007, als sich Mr. Kennedy – der gefeierte Star der Zukunft – erstmals gegen ganze sieben weitere Gegner durchsetzen musste. Edge war ebenso dabei, wie sein Rated-RKO-Kumpel Randy Orton, die Gebrüder Hardy, Finlay, Booker T. und CM Punk. Wie gesagt – Kennedy siegte und seinen Push in den Main Event sah die Gemeinde allgemein hin als logische Konsequenz seines gelungenen Pushs an. Zwar wirkte es noch etwas früh, doch durch Kennedy’s Ankündigung, mit Hilfe des Koffers WrestleMania 24 headlinen zu wollen, verschaffte man allen Beteiligten ja ein ganzes Jahr weiterer Aufbauzeit. Äääk. Zu früh gefreut und gleichzeitig mal so richtig dumm gelaufen. Denn Kennedy zog sich zur Abwechslung mal eine Verletzung zu und die Ärzte prophezeiten ihm eine Pause von mindestens sechs Monaten. Gut, WrestleMania war noch ein ganzes Jahr hin und man hätte Kennedy ja in einer Non-Wrestling-Rolle samt Koffer präsent halten können – da sich neben ihm aber auch noch der Undertaker verletzte, musste improvisiert werden. Schließlich war der Deadman World Champion und es mangelte noch an interessanten Herausforderern, die auf die Schnelle den Titel glaubhaft gewinnen konnten. Ein verletzter Champion und ein verletzter Kofferträger. Da konnte nur Edge noch helfen, der innerhalb einer Woche den Koffer gewann, ihn einlöste und Champion wurde. Das Tragische an der Sache: Kennedy war schon nach wenigen Wochen wieder fit und verpasste durch diese grobe ärztliche Fehleinschätzung die wahrscheinlich größte Chance seines Lebens.

Money got punk’d

2008 besann man sich wieder und gönnte Shelton Benjamin sein Comeback ins Leitermatch – und ganz ehrlich: Ohne ihn hatte im Vorjahr auch irgendwie etwas gefehlt. Acht Leute waren gesetzt, neben Benjamin noch CM Punk, MVP, John Morrison, Vorjahressieger Mr. Kennedy, Chris Jericho, Carlito und Jeff Hardy – und letztgenannter stand nach konsequentem Push als Sieger so gut wie fest. Dumm nur, dass er sich Sachen durch die Nase zog, die der Vorjahressieger bestenfalls Hardcore Holly untergejubelt hätte und aus dem Match ersatzlos gestrichen wurde. Es musste improvisiert werden und die Improvisation trug den Namen CM Punk. So unglaublich das auch schien, aber die Independent-Legende stand tatsächlich vor seinem lang erwarteten und zwischenzeitlich ziemlich eingeschlafenen Push. Im Juni, kurz nach der Draft Lottery, sicherte er sich den World Title von Edge, nachdem dieser einen leidlich glaubwürdigen Beatdown von Fehdengegner Batista hat einstecken müssen. CM Punk war World Champion und wieder musste man bemerken, was einem auch damals bei RVD schon durch die Nase zog: Man kann durch den Koffer einen Midcarder zum World Champion machen – einen Main Eventer macht man dadurch aber leider nicht aus ihm. Ohne, dass Punk ihn verlor, war der Titel schon bald wieder weg und der Main Event Push schien vergessen. Zurück in der Midcard kämpfte Punk nun um Tag-Team- und Intercontinental-Gürtel – Hauptkämpfe bestritt er keine mehr. Umso überraschender war dann plötzlich der Anblick bei WrestleMania 25, der Punk erneut triumphierend, das zweite Jahr in Folge, mit dem Koffer jubilierend auf der Leiter zeigte. Und dieses Mal nahm man sich sogar vor, ihn mithilfe eines Pushs in Richtung World Title zu hieven, gönnte ihm Fehden und Siege und eine nette Geschichte, bei der er immer wieder versuchte einzucashen, es aber nie schaffte. Nie – bis zu Extreme Rules, der unehelichen Zwillingsschwester des One Night Stand PPV’s, bei dem schon RVD erfolgreich einlösen konnte – und der Rest ist junge Geschichte.

Unnützes Finanzwissen

Natürlich sind sämtliche Statistiken besonders im Vergleich zur langen Hell-in-a-Cell-Geschichte beim Money-in-the-Bank-Ladder-Match ein wenig weit hergeholt und doch gibt es eine Reihe interessanter Fakten, die zu nennen bleiben:

-       Das längste MitB-Match fand im Jahr 2007 statt, als Mr. Kennedy nach knapp 19 Minuten den Sieg errang.
-       Damit musste Kennedy somit am längsten für den Sieg kämpfen und wurde dennoch zum einzigen, der den Shot niemals einlöste, um World Champion zu werden.
-       Die kürzeste MitB-Ausgabe war Teil der 2006er WrestleMania, bei der Rob Van Dam nach etwa zwölf Minuten als Sieger hervor ging.
-       Durchschnittlich dauerte ein Money-in-the-Bank-Match bisher ziemlich genau 15 Minuten.
-       Insgesamt nahmen 21 Männer an den 5 Money in the Bank Ladder Matches teil.
-       Den Teilnahme-Rekord hält Shelton Benjamin mit vier Auftritten, gefolgt von Finlay und CM Punk mit jeweils drei.
-       Shelton Benjamin verbrachte mit fast 56 Minuten ebenso die meiste Zeit in MitB-Matches – gewinnen konnte er noch keines.
-       RVD hingegen verbrachte mit knapp über 12 Minuten gemeinsam mit Ric Flair und Bobby Lashley zwar die wenigste Zeit in einem MitB-Match, gewann aber.
-       Christian, Kane und Shelton Benjamin sind die einzigen Männer, die am ersten und bisher letzten Money-in-the-Bank-Match teilnahmen.
-       Edge ist zugleich längster als auch kürzester Kofferträger. 2005 behielt er den Koffer fast 10 Monate, 2007 nur einen einzigen Tag.

Der Dispo reicht für uns alle

Selbst wenn wir mal die korrekte Bedeutungsübersetzung betrachten und wieder unser beliebtes „As im Ärmel“ begutachten – dann stellt sich immer noch die Frage, wer denn eigentlich besagtes As besitzt. Der Gewinner des Kampfes wäre sicherlich ein heißer Kandidat, doch genauso kann man hier den Champion nennen, der auf diese Art und Weise seinen Gürtel verlieren kann, ohne groß Schaden durch die Niederlage zu nehmen. Aber auch WWE, die für ein ganzes Jahr den Überraschungsjoker in ihren Bookingentscheidungen lösen können, was uns Fans letzten Endes ebenfalls zu Kandidaten macht. Es ist ein As für uns alle, ein As für alle Beteiligten – im Management so schön „Win-Win“-Situation genannt. Ja, und genau das macht das Money in the Bank Ladder Match zu nicht weniger als dem, was ich versuchte in den letzten zweitausend Wörtern zu begründen – zu einem Meisterwerk.

Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!