|
|
Man hat uns ja schon wirklich viel vorgesetzt bei World Wrestling Entertainment. An Tagen, an denen die Kreativität neue Tiefstmarken erreichte, schockte man die Wrestlinggemeinde nicht nur durch hirnrissige Gimmicks, surreal wirkende Storylines und idiotische Konstellationen, sondern man setzte auch den sportlichen Faktor in der ganzen Märchengeschichte dermaßen in den Sand, dass wir aus heutiger SIcht mit dem nötigen Abstand eigentlich nur noch lächeln können. Schuld daran war nicht etwa der Mangel an sportlichem Können der Protagonisten, sondern der Umstand, dass man sich im Booking-Team dachte, die Geschichte in keinem normalen Kampf enden zu lassen, sondern in einem sogenannten Gimmickmatch mit irgendeiner absolut tollen, schwerst innovativen Idee, die den Rahmen für das finale Gemätzel stellen sollte.
Aus solchen kühnen Ideen entstanden Klassiker wie das Leitermatch, die Elimination Chamber oder Hell in A Cell. Im direkten Vergleich mit Mitbewerber World Championship Wrestling stand man damit bei der WWF gar nicht so schlecht dar, schließlich konnte man sich auf dem durch Debakel wie die Chamber of Horrors, Triple Cage oder Absolutely-Everything-on-a-Pole-Matches entstandenen Kreativitätsvorsprung ausruhen - wenngleich man gerade die Absurdität der Chamber of Horros niemals im McMahon-Land erreichte, hatte man hier allerdings auch einige großartige Ideen, die dem vorgelegten Bullshitfaktor sehr sehr nahe kamen. Die Federation war somit alles andere als Bullshit-Jungfrau, über die Jahre entwickelte man sich gar zu wahren Bullshit-Bitch und stand seinen Kollegen aus Turnerland kaum noch in etwas nach.
Diese Auflistung soll die Top10 der mit Abstand jämmerlichsten, dümmsten und absolut absurdesten Matchideen darstellen, die das Booking-Team der World Wrestling Federation in den vergangenen 15 Jahren zu Papier und auf den Bildschirm gebracht hat - eben die Hitliste der "doofsten Matches der Neuzeit".
|
|
Survivor Series 1994
"Throw in the Towel Submission Match" for the WWF Championship
Bret "Hitman" Hart vs. Mr. Bob Backlund
Die Geschichte hinter dem Kampf ist eigentlich schnell erzählt: Bob Backlund, seinerzeit jüngst Heel geturnt, wollte noch einmal das große Gold besitzen, was er bereits von 1979 bis 1983 rekordverdächtige vier Jahre lang sein Eigen nennen durfte. Damals war er der facettenfreie Face, der unbestrittener Weise ein großartiger Athlet war, aber nicht viel mehr Showtalent besaß als Vera am Mittag. Da man damals in eine Richtung gehen wollte, in der ganz klar der Entertainment-Faktor in den Vordergrund rücken sollte, musste Backlund sich vom Gürtel und der großen Bühne trennen. Mit Hulk Hogan stand auch schon gleich der perfekte Nachfolger bereit - es machte damals aber wenig Sinn, Face Hogan den Face Backlund zu bezwingen, also musste man einen Heel zwischenschalten. Dieser Heel sollte dann der Iron Sheik sein, zum damaligen Zeitpunkt eigentlich kaum mehr als ein Midcarder. Backlunds Titelregentschaft in dieser vermeidlichen Routine-Titelverteidigung endete durch den legendären Handtuchwurf, der den Sheik zum Champion machte.
Aber zurück zum 1994er Szenario. Bret Hart war der Champion und stand in einer erbitterten Fehde mit seinem jüngeren Bruder Owen. Nebenbei schlug er sich mit Backlund rum und so kam es dazu, dass es bei den Survivor Series ein Gimmick-Titelmatch der beiden geben sollte. Große Aufmerksamkeit bekam die Fehde nicht, selbst das finale Match stand nur in der Midcard der Series. Das Gimmick des Matches sollte das 1983er Szenario wiederauferleben, denn Sieger war derjenige, der den Begleiter des jeweils anderen zum Handtuchwurf bewegen konnte. Stilgerecht wurde Backlund durch Owen Hart begleitet, an Brets Seite stand der British Bulldog. Das Ende sah dann so aus, dass sich Bret im Chickenwing von Backlund befand, Davey Boy aber nicht das Handtuch für den Hitman werfen wollte. Owen überredete schließlich seine Mutter, das Handtuch für den Sohn zu werfen und so wurde Bob Backlund 11 Jahre nach seinem Titelverlust durch Handtuch wieder WWF Champion - durch Handtuch. Und das Ganze nur um einen Tag später in acht Sekunden durch Diesel zerstört zu werden und den Titel weiterzugeben. Bob war also nicht mehr, ja, als ein Zwischenstep für den Gürtel. Auch das erinnerte irgendwie an den Sieger des 1983er Handtuchwurf-Szenarios. Naja, sei's drum.
|
|
No Way Out 2004
"Blindfold Match"
Jamie Noble vs. Nidia
Einst standen sich Jake "the Snake" Roberts und Rick Martel in einem Blindfold-Match gegenüber - und so abstrus diese Matchidee auch klingt, damals wusste das Match tatsächlich eine unglaubliche Stimmung zu erzeugen und das bei einer WrestleMania. Der Witz bei einem Blindfold Match ist ja, dass sich die beiden Kontrahenten nicht sehen können, weil ihnen der Kopf von einem schwarzen Sack eingehüllt wurde. Wie gesagt, mit Martel und Roberts funktionierte es, da stand eine pfiffige Geschichte dahinter und die beiden entwickelten eine ungeheure Spannung im Matchverlauf.
2004 sollte dieses Gimmickmatch sein Comeback feiern - zumindestens so ein bißchen. Obwohl das Match zwischen Jamie Noble und Nidia auch unter dem Banner eines "Blindfold Matches" lief, war es aber wohl nur im entferntesten mit seiner Vorlage verwandt.
Denn 1. stand hinter dem Kampf keine pfiffige Storyline, sondern die übliche Wrestler-Begleiter-Streit-Geschichte. 2. standen sich keine großen etablierten Stars der Liga gegenüber, sondern ein vernachlässigtes Cruiserweight und sein Valet. 3. Ja, hier traf ein Mann auf eine Frau und 4. war nur der Kopf von Jamie Noble verhüllt, Nidia war freie Sicht gewährt. Naja, wobei man sich ja Mühe gab und ihr eine Storyline aufdichtete, nach der sie erblindet sei. Dies war aber genauso überflüssig wie das ganze Match, bei dem sich die beiden nur herumschupsten und die Entscheidung letztlich dadurch zustande kam, dass Noble den Sack entfernte, Nidia lokalisierte und sie dann bezwang. Der Referee hatte das natürlich nicht mitbekommen.
Das Blindfold-Match bei No Way Out 2004 hatte also alles, was im Original eine atemberaubende Stimmung erzeugte, nicht. Und ganz ehrlich - bei der Recherche für diese Serie sah ich irgendwann dieses Match und dachte "Boah, tatsächlich, das gab's ja echt." - Verdängung erfolgreich, hoffentlich funktioniert's wieder.
|
|
|
|
|
|