Geschichte erzählt sich so gern in Zahlen. Und wenn wir von der Geschichte eben jener Sendung sprechen, die man entsprechend der Überschrift dieser Reihe ECW nannte, dann beginnen wir mit der Zahl 1344. Denn genau so viele Tage lang präsentierte uns World Wrestling Entertainment ein Produkt, welches auf genau diesen Namen hörte. Es war ein Name, der den Fans durchaus bekannt war. Ich heiße Ben und ja, auch ich bin nicht der erste, der so heißt. Selbst meinen Nachnamen trugen schon etliche Generationen vor mir und Bekannte meiner Eltern assoziieren mich stets mit meiner Mutter, meinem Vater und speziell den Charaktereigenschaft der zwei. Ich trage ihren Namen, ich bin ihr Nachkomme, ihre Folgegeneration.

Im Jahr 2005 kam World Wrestling Entertainment auf die Idee, die 2001 bankrott gegangene Wrestlingliga Extreme Championship Wrestling wieder zum Leben zu erwecken. Für einen einzigen Abend, und nur für diesen Abend. „One Night Stand“ war das Produkt in Pay-Per-View-Form, dass eine Nacht voller Nostalgie für die noch so zahlreichen Hart-&-Soul-Fans der verstorbenen Liga werden sollte. Man mietete mit dem Hammerstein Ballroom die legendäre Austragungshalle, in der die ECW einst ihre Shows veranstaltete und engagierte neben den größten Wrestlern der Hardcoreliga auch Kommentatoren, Valets, Interviewer, Manager und selbst hartgesottene Fans, die man aus den Fernsehausstrahlungen der guten alten Zeit kannte und seither nicht mehr gesehen hatte. Eigene Stars verließen ihr Gimmick, man verließ die eigenen Regelbücher und alles strahlte genau so wie es damals war. Eine Nacht voller Nostalgie.

Das Blut der Kritiker schoss vollständig in ihre Glieder und auch wenn man vom zu mainstreamigen Ende enttäuscht war, wurde der 2005er One Night Stand PPV über den grünen Klee gelobt. Ja, Mann und es war einfach eine tolle Show. Die Verkaufszahlen waren okay, die DVD ging weg wie warme Semmeln und wie bei einem realen One Night Stand bekam man plötzlich doch Bock auf mehr, weil es halt geil war. Klar, und es gibt ja irgendwo was zwischen One Night Stand und Hochzeit – zum Beispiel einen zweiten One Night Stand mit derselben Person. So verwunderte es niemanden, dass der doch eigentlich einmalige ECW-Pay-Per-View auch auf dem 2006er Pay-Per-View-Kalender zu finden war. Doch für Vince McMahon stand fest: Der Markt ist größer als eine 180-minütige Show. Er hatte in Volkswirtschaftslehre aufgepasst und kannte die Optimierungsformeln zu Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage war größer als ONS2, die Fans waren durstig, sie brüllten „E C Dub“, selbst jene, die den Sandman für eine spitzbärtige Einschlafhilfe hielten und ECW nur aus Geschichten ihrer großen Geschwister kannten. VWL-Freak Vince McMahon drehte also an der Angebotsschraube und die Nachricht schlug wenige Wochen vor der zweiten One-Night-Stand-Nacht ein wie eine Granate, als es hieß, World Wrestling Entertainment würde Extreme Championship Wrestling in Form eines dritten Brands fulltime auf die Fernsehbildschirme zurückbringen. Fans hatten feuchte Augen vor Glück und Angst gleichzeitig. Stand ECW doch eigentlich für all das, wofür WWE eben nicht stand. Doch spätestens als man das Kreativteam mit Paul Heyman und Tommy Dreamer besetzte, war die Vorfreude zumindest bei mir dann doch größer als die Furcht.

Das Konzept: eine 40-minütige Wrestlingshow, bei der sich die bekanntesten Gesichter der alten ECW mit Stars der Neuzeit messen. Der Kader bestand somit aus neuverpflichteten Altstars wie dem Sandman, Sabu oder Justin Credible, aus getradeten WWE-Stars wie Rob Van Dam, Kurt Angle oder The Big Show und aus Rookies wie Mike Knox, Kelly Kelly oder CM Punk. Ein tolles Konzept, doch der fade Beigeschmack hier etwas wiederzubeleben, wessen Klasse eigentlich niemals erreicht werden könnte, der blieb. One Night Stand 2 war dann schon wesentlich WWE-lastiger als noch im Vorjahr. Titel von World Wrestling Entertainment standen auf dem Spiel, WWEler kämpften gegen WWEler. Siegen durften von den Originalen nur jene, die auch einen Vertrag für die Wochenschows unterschrieben hatten. Am Ende stand sogar nur ein einziges Match auf der Card, bei dem kein WWEler im Ring stand. Balls Mahoney besiegte in diesem Match Masato Tanaka – denn Mahoney blieb, Tanaka nicht. Aber auch wenn es halt nicht die Show des Vorjahres war, hatte auch dieser PPV seine ganz großen Momente und seinen Zweck nicht nur als 3-stündiges Unterhaltungspaket erfüllt, sondern auch als Einheizer für das Debüt der Wochenshows zwei Tage später.

Die ECW Fans machten eindeutig klar, was sie von WWElern wie John Cena in einem ECW Ring hielten. „If Cena wins we riot“ war die prägende Aussage, die jedem Zuseher das Gefühl gab, hier tatsächlich bei etwas wie Extreme Championship Wrestling zu sein. Die Vorzeichen für das wirkliche Debüt der wöchentlichen Shows, die auf dem Science-Fiction-Kanal SciFi ausgestrahlt werden sollten, waren jedoch etwas andere. ECW wurde im Vorprogramm der anderen WWE-Shows abgehalten – also in großen Hallen, vor WWE-Publikum. Nur ein Mal in fast fünf Jahren verirrte man sich nach dem zweiten One Night Stand PPV noch in den Hammerstein Ballroom. Es war eine andere Atmosphäre und genau diese wurde ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Anfangszeit des neuen Brands. Während die Fans bei den ONS-PPVs noch Tickets kauften, gerade um Männer wie Tommy Dreamer, Stevie Richards oder das FBI zusehen, waren die ganzen alten Gesichter für den Großteil der wegen RAW oder Smackdown angereisten WWE-Fans nur namenslose Figuren. Zudem gab der Sender, SciFi, noch einen weiteren Störfaktor hinzu – denn er hatte seine ganz eigene Zielgruppe. Science-Fiction-Fans – und damit vielleicht altersmäßig vergleichbar mit der Zielgruppe des Mainstream-Wrestling, von der Interessenlage aber so als würde man auf „Sat.1 Comedy“ Tiefseetauchen ausstrahlen. WWE erhielt also vom Sender die Auflage, Mystisches für seine Zielgruppe einzubauen. Glücklicherweise platzte der geplante Auftritt eines Marsmenschen im ECW-Ring, aber die Alternativen stimmten den extremen Fan der alten Schule nicht wirklich wohliger.
Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!