Während die Spitze der ECW vornehmlich in 6-Mann-Tag-Team Matches anzutreten pflegte, begann Jack Swagger langsam damit, die Finger von namenlosen Jobbern zu lassen und sich namhaften Jobbern anzunehmen. Kommt so ein Spruch ist es in 90% der Fälle immer Tommy Dreamer, der seinen Kopf hinhalten muss. „Tommy Who!?“ war Swaggers Kommentar zum Innovator of Violence, der letztlich zu einer Mini-Fehde zwischen dem All-American American und der verjobbten Hardcore-Ikone führte. Dies verschaffte Swagger binnen kurzer Zeit den Sprung von der beachteten Randfigur zum wichtigen Teil des Getriebes. So teamte er bspw. mit dem Überteam Miz und Morrison, die die ECW-Shows weiter dafür nutzten, an ihrer Unsterblichkeit zu arbeiten – u.a. dadurch, dass sie ihr Internet-Segment „The Dirt Sheet“ auf die Live-Bühne zogen und so neue Maßstäbe in Sachen In-Ring-Promos setzten.

Es war offensichtlich, dass man Chavo Guerrero langsam aus dem Main Event entfernt hatte, Mark Henry die Rolle als Allzweck-Monster einnahm und Finlay nicht mehr und nicht weniger als Beschäftigungstherapie war für den Champion Matt Hardy war. Jack Swagger besaß einen maßgeblichen Teil der Aufmerksamkeit und schaffte dieses optimal zu nutzen, um Heel-Reaktionen beim Publikum zu erzeugen, von denen hoch gelobte McIntyres heute träumen. Insgesamt hatte man im November 2008 eine wirklich gute Cast, eine interessante Mischung aus Veteranen, Eigengewächsen und aufstrebenden Frischlingen. Dass sich also erstmals für den Autor dieser Riehe die Möglichkeit ergab, den aufgeblühten Matt Hardy, die In-Ring-Sensation Evan Bourne oder den offensichtlichen zukünftigen Champion Jack Swagger live in Deutschland zu erleben, war toll. Die Smackdown und ECW Tour gastierte in Dortmund – blöd nur, dass ECW fast vollständig abgereist war und nur aus einem Chavo-Guerrero-Squash bestand. Das stank, nichts desto trotz arbeitete man in Amerika aber weiter an seinen Storylines.

Kurz vor der Survivor Series konnte Matt Hardy seinen irischen Herausforderer besiegen. Jack Swagger besiegte Tommy Dreamer in allen möglichen Disziplinen und um nicht Gefahr zu laufen wieder in geregelte Bahnen und auf den Pfad uneingeschränkt guter Unterhaltung zurückzudriften, ließ man ein Gimmickdesaster namens DJ Gabriel debütieren. Selbst die Rückkehr des Boogeyman mochte dies nicht verwässern. Braden Walker’s Run war schon solch eine Katastrophe, dass einzig Roland Emmerich diesen verfilmen könnte, doch DJ Gabriel schrie nach Uwe Boll. Viel mehr Probleme als mit der Regie taten sich allerdings in der Zeit um die Survivor Series im Drehbuch auf. Keine einzige ECW-Fehde schaffte es auf die Card des PPV’s, lediglich Hardy und Miz/Morrison durften an Elimination Matches teilnehmen, ohne jedoch einen aufgebauten Gegner ihres Brands gegenüber gestellt zu bekommen. Mark Henry und Tony Atlas steckte man tatsächlich in ein Programm mit Finlay und dessen Zwerg, der Boogeyman erschreckte Backstage diverse Segment-Teilnehmer, DJ Gabriel war präsent und das von Trash geschwängerte Fanauge weinte bitterliche Tränen. Einziger Lichtblick in diesem Horrorkabinett blieb Jack Swagger, der sich in einem Extreme Rules Match endgültig Tommy Dreamer’s entledigte. Matt Hardy allerdings trug seinen Gürtel zwar brav durch die Gegend und ließ uns regelmäßig wissen, dass er nicht sterben würde – das letzte Geschichtsträchtige was er tat, war jedoch das legendäre Backstage-Segment mit Braden Walker. Keine Herausforderer in Sicht, keine wirkliche Storyline – so passierte es gar, dass man Chavo Guerrero kurzzeitig gegen Hardy um dessen Gürtel kämpfen ließ.  Verwzeiflung stand den Bookern ins Gesicht geschrieben. Auf die letzte PPV-Card des Jahres schaffte es daher auch zum wiederholten Male kein ECW-Titelmatch, sondern lediglich ein Belfast Brawl zwischen  Finlay und Mark Henry.  

Das Jahr neigte sich dem Ende und der geprägte ECW-Fan hoffte darauf, dass die Mütter der Booker irgendeinen Zaubertrank in die Marinade der Truthähne mischten, doch noch kurz vorm Jahreswechsel ließ man DJ Gabriel über Paul Burchill triumphieren – und als neigte das nicht schon ausreichend an Blasphemie bezwang das Team aus dem Boogeyman und dem tanzenden Iren Finlay auch noch das hotteste Tag Team auf dem Erdball, The Miz und John Morrison. Man mag dies als Tiefpunkt einer Ära bezeichnen, wäre da nicht ein kleines Segment am Anfang der Show gewesen, bei dem Jack Swagger Matt Hardy attackierte und damit das Statement setzte, was im neuen Jahr geschehen würde. Endlich geschehen würde. Ich bin weiß Gott kein Fan von frühen und direkten Pushs, doch der bislang unbesiegte Swagger wirkte in dieser Situation wie der einzige saubere Ausweg.

Genau so kam es und im neuen Jahr versuchte man eine Art Reset. Swagger vermöbelte Finlay und stellte gegenüber General Manager Teddy Long klar, dass es Zeit für sein Titelmatch wäre. Long gewährte und Hardy machte sich im Main Event ebenfalls dafür frei, indem er seine Position als Champion mit einem Sieg über Mark Henry festigte. Als wäre das nicht schon genug Hoffnung für einen Wrestlingfan ließ man obendrein auch noch Katie Lea Burchill über Alicia Fox siegen und mir war klar – Heureka, diese Marinade, die brauche ich. Und man war so erfrischend konsequent, in dem was folgte. Denn schon in Woche zwei des finalen ECW-Jahres bekam Jack Swagger seine Chance und verwandelte sie im ersten Versuch. Squash-Serie -> Fehde gegen Dreamer -> Titelgewinn. Wie gesagt, ich bin kein Fan dieser Kometen-Karrieren, aber Swagger dort mit seinem nach Schlägen schreienden Grinsen im Ring stehend zu sehen, mit dem ECW Title in der Hand. Verdammt ja, da war er der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Doch auch einem anderen Mann konnte am Abend des Titelgewinns von Jack Swagger kaum Schlechteres einfallen, als einen Impact zu setzen. Die Rede ist von Tommy Dreamer, der sein ECW-Jahr damit begann, dem WWE-Universe in Schlips und Kragen mitzuteilen, dass in nunmehr 6 Monaten sein Vertrag auslaufen würde. Er setzte sich selbst und seiner Karriere ein Ultimatum: Sollte es ihm nicht gelingen, binnen dieser Zeit ECW Champion zu werden, dann werde seine Karriere mit Auslaufen des Vertrages enden. Großes Kino eines großen Mannes.

Es war nicht mehr lange bis zum Royal Rumble und folgerichtig ließ man die durch den Titelwechsel ja eigentlich erst entstandenen Fehde zwischen dem neuen Top-Heel des Brands Jack Swagger und dessen Top-Face-Pendant Matt Hardy fortlaufen. Der Boogeyman hatte derweil DJ Gabriel darin abgelöst, die Burchills der Lächerlichkeit preis zu geben und Ricky Ortiz verwirrte uns weiter durch seine Anwesenheit – doch das war egal, denn endlich gab es ja an der Spitze wieder Hoffnung. Swagger bezwang Hardy schließlich im Opener des Rumbles und noch in derselben Show turnte Matt gegen seinen Bruder Jeff und verabschiedete sich dadurch aus der ECW, um seine WrestkleMania-Bruderfehde fortan bei Smackdown vorbereiten zu können. Jack Swagger stand über allem und jetzt, da Matt Hardy Heel und fort war, brauchte es einen neuen Gegner. Dachte man doch grade, ECW hätte sich wieder gefangen, klangen die möglichen Varianten an Face-Herausforderern, namentlich Boogeyman, Finlay und Ortiz dann aber plötzlich nicht unbedingt nach Spaß.

Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!