Teil 1
Herbert, Hogan und die New York Times

Mit Medien ist das so eine Sache. Jeder hat irgendwo dasselbe Ziel – er will seine Zielgruppe ansprechen, will die Massen bewegen, sie für das Medium zu begeistern und eine gewisse Abhängigkeit schaffen. Das gilt ebenso für RTL wie auch für das lokale Blatt, das über die Jahreshauptversammlung des Kaninchenzüchtervereins berichtet.  In der heutigen Zeit, in der alles miteinander vernetzt ist, verschwimmen die Medien immer mehr. Grenzen sind kaum noch erkennbar – okay, es ist schon ein Unterschied, ob ich die Bild-Zeitung lese und dabei ein Blatt Papier in den Händen halte oder ob ich dasselbe Thema in der Netzeitung lese und dabei auf einen Bildschirm starre, an dem rechts die Coke-Zero-Tusse strippt. Zu fast jeder erfolgreichen TV-Sendung gibt es mittlerweile eigens aufgelegte Magazine, alles und jeder darf heutzutage Tonträger mit Musik oder dem neuen Trend „Hörbuch“ herausbringen. Selbst Herbert aus dem Kiosk neben der Frittenbude am Busbahnhof holt sich einen Ghostwriter, um eine Biographie mit einem reißerischen Titel zu verfassen. Die wird dann im Idealfall verfilmt, mit einem Tonträger zum Soundtrack untermalt und erfährt schließlich eine Fortsetzung, die eigentlich das selbe aussagt wie der Vorgänger, aber wieder die Massen zum Buchladen strömen lässt. Der Frittenbudenbesitzer neben Herbert’s Kiosk wird neidisch und schreibt einen Aggro-Rap, mit dem er bei YouTube zu einem Internet-Star wird. Heute gibt es zur Currywurst seine CD und eine Autogrammkarte dazu.

Medien sind schon geil.

Auch wenn es noch streng geheim ist, kann ich an dieser Stelle verkünden, dass auch ich medial expandieren werde. Mein Langenscheid-Lexikon „Deutsch – Mark, Mark – Deutsch“ ist druckfertig, die Verträge mit ProSieben für „Markreport – das Magazin“ laufen und der erste Kinofilm ist für 2010 geplant. In den Hauptrollen: Ben und Kelly Kelly. Und schließlich schreibe ich dann noch an meinem ersten Hörbuch, welches über die Highlights der letzten 27 berichtet, u.a. von der längsten Wurst, die ich jemals gemacht habe und dem unsagbar schönen Gefühl, meiner Freundin von dieser vorzuschwärmen. Wie gesagt: Medien sind schon geil.

Und ihre Grenzen verschwimmen zunehmend.  Die World Wrestling Federation bediente sich von Kindesbeinen an einem Mischprodukt aus unterschiedlichsten Medien. Sie bedienten Sport, Unterhaltung und Dramatik und taten dies über Präsenzveranstaltungen in den Hallen der Welt und via TV. Das Unternehmen wuchs und wuchs und man passte sich und seinen Trieb nach Umsatz den äußeren Gegebenheiten an. Jeden medialen Trend ging man mit und Wrestling war schon bald nicht mehr bloß Wrestling. „Sports-Entertainment“ hieß das neue Zauberwort, also „Sport-Unterhaltung“. Es gab Magazine mit Berichten zum WWE-Geschehen, es gab Hotlines und schließlich eine Homepage. Eine Zeichentrickserie, Videogames und Spielfiguren. Das Internet wuchs und wuchs – spätestens mit dem ersten Taboo Tuesday stellte man der Welt unter Beweis wie hip man doch war. Ja, und was wären die heutigen Pay-Per-Views ohne die tollen SMS-Abstimmungen, bei denen nur 3% an einen Sieg JBL’s über Triple H, John Cena und Randy Orton glauben…

Das erste mediale Wunderkind im Wrestling war wohl Hulk Hogan, denn er war es, der seine durch‘s Wrestling gewonnene Popularität dafür ausnutzte, um auch andere Ebenen der Unterhaltungsbranche zu übernehmen.  Er baute sich eine Brücke, über die er von einem Showkämpfer zu einem bekannten Celebrity wurde – eine Brücke, die nach ihm nicht zerbrach und über die fortan viele Männer und Frauen gingen. Der Erfolg, den Hogan mit diesem Pilotprojekt erreichte war immens. Kinofilme mit namhaften Stars, eine Adaption als Zeichentrickfigur, eine eigene Action-Serie. Schließlich ein Reality-Format, in dem es um sein alltägliches Leben ging – dass sein Sohn hinter Gitter muss, interessierte plötzlich sogar die Bild-Zeitung. Eine solche Aufmerksamkeit bekommt ein Wrestler sonst nur, wenn er wie Owen Hart und Chris Benoit auf sensationelle Art und Weise ums Leben kommt. Eddie ist einfach so gestorben – das hat außerhalb Amerikas und der Fachpresse niemanden interessiert. Dass eine Handvoll schwer vermittelbarer Bauern eine Frau suchen hingegen schon. Auch wenn Hulk Hogan in der deutschen Presse niemals den Status eines Bauer-sucht-Frau-Bauern erreicht hat, ist er durch seine Präsenz in den weltweiten Medien zumindest schon mal ein soweit akzeptierter Celebrity, dass man von ihm spricht, wenn etwas bei ihm passiert. So unterirdisch „Mr. Babysitter“ auch war – Auftritte wie dieser haben Hogan diesen Status zuteil werden lassen, denn die machten ihn über die Grenzen des Squared Circle hinaus populär. Wenngleich Bret Hart, Ric Flair oder der Undertaker ähnlich große Stars im Wrestling sein mögen – ein „Deadman knows best“ wird es wohl nur auf Grundlage seiner Popularität im Sports-Entertainment niemals geben.

Mick Foley erlebte seinen Karriere-Höhepunkt um die Jahrtausendwende, als er World Champion wurde und sich selber mit den „3 Faces of Foley“ persiflierte. Trotz drei sehr comicartiger Charaktere stellte man immer mehr die Privatperson Mick Foley in den Vordergrund und die Fans liebten das. Sie wählten ihn zum Mann des Jahres bei einer Abstimmung der New York Times – doch die Times, jeder Spieler von „Smackdown vs. Raw 2008“ wird’s wissen – war der Meinung, Foley hätte diese Auszeichnung nicht verdient und nahm ihn aus dem Rennen, das er eindeutig gewonnen hatte. Im Gegensatz zu vielen Kollegen legte Mick den perfekten Zeitpunkt für ein Fulltime-Karriereende hin – was folgte war eine Autobiographie. Ja, ein Buch. Ein Mann, der sich sein Leben lang sein Geld damit verdiente, sich und anderen Männern Stacheldraht um den Körper zu wickeln und Straßenschilder auf die Köpfe zu hämmern, schrieb plötzlich ein Buch. Ein Buch über sein Leben – über eben jenes Leben, und nichts passte dabei besser als die Anekdote in der Einleitung, die davon berichtete, wie er bei einem Wrestlingkampf sein Ohr verlor. Die Fans waren immer noch sauer auf die Times, weil man ihrem Idol Platz 1 der Bestenliste der Männer des Jahres verwehrte und sie rächten sich dadurch, dass sie alle Foley’s Buch kauften und setzten ihn binnen weniger Wochen doch noch an die Pole Position der Times. Dieses Mal allerdings an die Pole Position der Bestseller-Listen. Die Fans hatten ihr Ziel erreicht – doch viel überraschter waren sie, als sie einen Blick in das Buch warfen und es sich tatsächlich lesen ließ. Es war grandios und bleibt bis heute unter der Vielzahl aller Wrestler-Biographien unerreicht. Das trieb die Hardcore Legende an, weiter zu machen. Er schrieb eine Fortsetzung, er schrieb Kinderbücher – und die Menschen kauften und kauften. Plötzlich gab es nicht nur Mick Foley, den ehemaligen World Champion, sondern auch noch Mick Foley den Autor.

Foley erreicht dabei natürlich niemals die Popularität eines Hulk Hogan, was aber wohl hauptsächlich am gewählten Medium liegt. Bei der relevanten Zielgruppe steht leichte Kost wie „Thunder in Paradise“ sicherlich weiter oben in der Coolness-Matrix als 1000-Seiten-Schinken und Kinderbücher.

Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!