Teil 4
Tüten, Castings und das World Wide Web

Unterm Strich ergibt sich zwar ein gewisser Nervfaktor, der mit der Filmpromotion WWE-eigener Filme verbunden war, aber im Gegensatz zu WCW-Varianten wie der Einbeziehung des Chucky- oder Robocop-Charakters in die Shows stand man doch noch sehr gut dar. Mit dem schon angesprochenen Hulk Hogan gibt es allerdings auch bei der World Wrestling Federation ein historisches Beispiel, bei dem es ein Filmcharakter auf die Leinwand geschafft hat. Hulk Hogan drehte im Jahr 1989 einen Film namens „No Holds Barred“ mit sich in der Hauptrolle. Im Film spielte er das, was er auch in seinem eigentlichen Versuch immer stets bemüht versuchte: Er spielte einen Wrestler. Einen guten Wrestler, für den ein aufstrebender böser Wrestler names Zeus zu einer Bedrohung wurde. Ein wenig Hin, ein wenig Her und es kam im Film zum Showdown und am Ende ging dann doch alles gut aus. Soweit zum Filminhalt. Die vorgestellte Fehde im Film setzte man aber tatsächlich in den wöchentlichen Wrestlingshows fort und verkaufte Zeus tatsächlich als glaubwürdigen Gegner für den Hulkster. Es will wirklich etwas bedeuten, wenn es Hulk Hogan ist, der seinen Gegner durchs Match ziehen muss. Am Ende ergab sich eine der uninteressantesten Storylines seiner Zeit, der man sogar einen eigenen PPV gönnte – ein PPV der aus nur einem Match bestand und zusätzlich aus dem Spielfilm, der die Motivation für die Farce lieferte.

Man versuchte etwas Derartiges glücklicher Weise nicht wieder bei World Wrestling Entertainment. Filmcharaktere blieben Filmcharaktere und tauchten zur Promotion maximal als Profil der Superstarsseite im Smackdown-Brand bei WWE.com auf. Wo man über die Jahr aber reges Interesse dran fand, waren die Printmedien und die Divas. Speziell natürlich jene Printmedien, die sich vorzugsweise mit dem Geschlecht der Divas beschäftigten – mehr auf Haut als auf Stoff natürlich. Vince McMahon traf Hugh Heffner und eine Freundschaft fürs Leben entstand. Sable machte den Anfang und es folgten Torrie Wilson, Ashley Massaro, Candice Michelle, Maria Canellis und wie sie nicht alle heißen. Was eigentlich genug Werbung für WWE sein sollte – schließlich war das der Ort, an dem die heißen Mietzen Woche für Woche zu sehen waren – musste man die Nackedei-Eskapaden der Divas jedes bekackte Mal zum Teil der Shows machen. Ob sie wrestlen konnten oder nicht, wer seine Brüste zeigte, wurde gepusht und durfte in den meisten Fällen sogar Women’s Champion werden und/oder bei WrestleMania antreten. Die Kooperation des Luden-Magazins mit dem Steroid-Unternehmen verschaffte uns Surrealismus in Form von „Playboy Pillow Fights“ oder „Bunnymania“ und der Wrestlingfan war entsetzt. Allein der Gedanke an den Profit für WWE, der mit so einem Deal verbunden ist, ließ mich diese Geschichten ertragen. Die Hoffnung, mit diesem Profit würden die Gehälter von Val Venis, Super Crazy und Jimmy Wang Yang bezahlt werden, denn dann hatte das ganze plötzlich wieder einen Sinn.

Im Zeitalter der Castingshows bediente man sich plötzlich auch dieses Mediums. Was bei Diva Search nicht mehr als ein Showsegment war, hatte bei Tough Enough anfangs sehr viel globalere Auswirkungen. McMahon konnte mit MTV tatsächlich einen auf die Zielgruppe perfekt zugeschnittenen Sender für sein Projekt gewinnen und fortan konnte man auf dem Sender, auf dem mal Musikvideos gespielt wurden, junge Männer und Frauen beim Wrestlingtraining beobachten. Ein tolles und sehr unterhaltsames Format, das einen tollen Werbeeffekt hatte und nebenbei auch noch großartige Stars wie bspw. John Morisson hervor brachte. Mit Tough Enough schaffte man eine weitere Brücke zwischen zwei zentralen Unterhaltungsformen. Das „Echte“ verband man mit dem „Schein“. Die Show mit der Wirklichkeit. Die Fans konnten einen jungen Maven bei seinen ersten Gehversuchen im Wrestlingring beobachten, verfolgten dann sein WWE-Debut und sahen mit Spannung, wie er einst den Undertaker aus dem Royal Rumble eliminierte. Nachdem das Format aus dem MTV-Programm flog und nur noch als Segment bei RAW veranstaltet wurde, verlor man nicht nur die Benefits aus der Vermischung der Medien, sondern auch den eigentlichen Zauber der Idee.

In der heutigen Zeit gibt es eigentlich nur noch ein Medium, was bestimmt. Ein Medium, dass den Leuten sagt, was sie tun und denken sollen. Dass ich vom Internet spreche, dürfte genauso klar sein wie die Tatsache, dass neben dem WWW natürlich weiterhin Printmedien, Radio und TV bestehen – den Ton gibt aber schon lange der Cyberspace an. CDs vs. iTunes. Bild vs. Netzeitung. VOX vs. YouTube. World Wrestling Entertainment hat genau dies für sich erkannt und erschließt, ohne die anderen Medien zu vernachlässigen, den Markt auf genau diesem Wege. Wo Superstars früher noch in Segmenten oder eigenen Interview-Shows gepusht wurden, haben sie heute ihre eigenen Web-Blogs auf der Homepage der Liga. Shows werden komplett im Internet übertragen – selbst der WrestleMania-Anheizer war ausschließlich über die Web-Plattform zu begutachten. PPV-Matches gibt World Wrestling Entertainment, wenn nicht in den Shows, dann in Online-Strecken oder per SMS-Newsletter bekannt. RAW und Smackdown zu verfolgen reicht schon lange nicht mehr aus, um wissender Fan zu sein. Wo es früher ein einziges WWE-Magazin gab, gab es plötzlich ein eigenes RAW- und Smackdown-Magazin – jüngster Spross der Erschließung des Marktes ist das „WWE Kids Magazine“, ein Heft, in dem blutige Schlägereien kindgerecht aufbereitet werden.

Medien sind schon geil.

Das Heute ist interaktiver denn je. Medien verschwimmen und so wird auch das Wrestling, oder nennen wir es doch lieber Sports-Entertainment, immer präsenter und allgegenwärtiger. Dwayne Johnson macht Millionen in Hollywood und jeder kennt ihn – in Deutschland genauso wie in Australien und in Südafrika. Matt Hardy bekommt seinen Job zurück, nur weil eine Meute wildgewordener Fans danach verlangt, die er zuvor im Internet aufgehetzt hatte. Will ich sehen, wie Jeff Jarrett damals Razor Ramon den Intercontinental Title abgenommen hat, muss ich nicht auf den Boden und meine alten VHS-Kassetten abstauben – ich gehe einfach auf YouTube und klicke auf Play. Der Wrestkler im 21sten Jahrhundert ist nicht mehr nur ein schauspielernder Athlet, er ist ein Medienmann. Türen für Zweitkarrieren als Rapper, Autor, MMA-Fighter oder gar als American Gladiator stehen ihnen offen und durch Teilnahmen an Promishows wie „Celebrity Survivor“ oder „Dancing with Stars“ wurden auch sie, die Wrestler, in die Gilde der B-Prominenz aufgenommen. Ja, und bei mir funktioniert’s. Wenn ich im Kino sitze und den Vorspann für den neuen Film von The Rock sehe, dann freu ich mich. Und wenn dann auch noch ein Spruch von einem wrestling-hassenden Kumpel kommt, wie etwa „Geil, mit The Rock. Den muss ich sehen.“, dann denke ich – Wandel der Medien? Verschwimmen der Grenzen? Medialer Overflow? Vollkommen egal. Ich denke: Ganz großes Kino.

Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!