Wir erleben in Filmen, doch wir erinnern uns in Bildern. Sei es die Schulzeit, Familie, die Liebe oder die erste Sauftour mit den Jungs. Die Vergangenheit lebt in Bildern in unserem Kopf, prägt uns, beeinflusst uns und macht uns zu dem, was wir sind – zu einem denkenden Individuum. Nichts auf dieser Welt ist uns wertvoller, als die Erinnerung. Und in allen Bereichen unseres Denkens gibt es spezielle Momente, an die wir uns gerne zurückerinnern – ganz egal, was danach kam – nur an den Moment. Je mehr Leidenschaft man für etwas entwickelt, umso größere Kraft besitzen diese Momente und oftmals bezeichnen alte Menschen ihre Bilder von früher, Andenken und Artefakte als wahres wertvollstes Gut, dass sie besitzen.

Wir sind Wrestlingfans und ich ganz speziell habe wie viele andere auch über die Jahre eine große Leidenschaft für das entwickelt, was ich Woche für Woche sehe. Eine Leidenschaft, die mich den Moment genießen lässt, die mich auf die Zukunft freuen lässt und die, allem voran, großartige Erinnerungen mit sich bringt. Im Fachjargon nennte man so etwas einen „Mark“. Was ursprünglich nur der Begriff für einen Fan war, der alles für echt hielt, was ihm geboten wurde, steht in heutiger Zeit für sehr viel mehr. Und doch ist es seiner ursprünglichen Bedeutung gar nicht so fern. Denn ich glaube daran, dass es wahr ist, was ich da sehe – obgleich ich natürlich weiß, dass es etwas wie Skripte und Booker gibt und jeder Pinfall nur bis Drei geht, wenn sich spezielle Menschen zuvor dazu entschieden haben, dass es so sein soll. Und doch erlebe ich die Unterhaltung, die Spannung, die Athletik und die Leidenschaft als absolut Wahres. Das macht mich zum Mark und das ließ mich über die Jahre hinweg Momente erleben und genießen, die mich in dieser Rolle geprägt haben.

My Mark Moments – meine zwanzig größten Mark-Momente aus 15 Jahren Leidenschaft. Aus Zeiten in denen ich begann, in der Schule die englische Sprache zu erlernen, in denen ich begann mich mit der Tatsache zu beschäftigen, dass Mädchen doch nicht zwangsläufig doof waren, aus Zeiten in denen ich das Becks für mich entdeckte, Auto zu fahren begann, studierte, auf eigenen Beinen stand und – aus Zeiten in denen ich eine Reihe schrieb und dieser den Namen „My Mark Moments“ gab.

The Clash of Generations
Nur wenige Männer schaffen es, als Väter ihrer Zeit betrachtet zu werden. Bei wenigen wird das Wort „Legende“ in den Mund genommen, noch während sie Teil des Ganzen sind. Auf zwei Männer trifft dies jedoch zu. Hulk Hogan war eine Ikone. Er beherrschte die 80er und war auch in den 90ern einer der mit Abstand wichtigsten Männer im Sports-Entertainment. Während er bei World Championship Wrestling weiter damit machte, Geschichte zu schreiben, wuchs bei der World Wrestling Federation ein junger Dwayne Johnson unter dem Namen „The Rock“ zu Weltruhm. Beide waren die Ikonen ihrer Umgebung und mächtiger als alles andere um sie herum. Es war WrestleMania X-8, es war das Match des Abends und es herrschte die wohl unglaublichste Stimmung in der Halle, die man zu einem solchen Anlass nur haben kann. Zwei Ikonen trafen zum ersten Mal aufeinander, blickten sich in die Augen, Angesicht zu Angesicht. Hogan der Heel, Rock der Face – und doch machte das Publikum diesen Moment unsterblich, in dem es sich einen Dreck um die durchs Booking gemachten Vorgaben scherte und einfach machte wozu sie Lust hatten. The Rock, Hulk Hogan und in erster Linie die anwesenden Fans schufen einen unvergesslichen Moment der Wrestlinggeschichte, in dem ein Meister seinen Stab weitergab. 

Attitude Awakening
Jake Roberts hatte sein Comeback gefeiert und war als absoluter Überface und gleichzeitig auch als Underdog ins King oft he Ring Turnier 1996 gestartet. Man bookte seine Person so großartig, dass auch ich sofort ergriffen war und zu einem Jake-Roberts-Fan wurde. Nach seinem DQ-Sieg im Halbfinale ging Roberts stark gehandicapt ins Finale gegen Steve Austin – aber gerade deshalb sah ich ihn als sicheren Sieger. Austin zerstörte Roberts. Er führte ihn vor und verprügelte ihn frei jeglichen Respekts. Dann marschierte Austin zur damals noch traditionellen Krönungszeremonie und wies die Crew an, das Stück Dreck namens Jake Roberts aus seinem Ring zu entfernen. Die Kamera schwenkte auf den sich vor Schmerzen windenden Verlierer des Finales und dann zurück auf Austin. Was jetzt passierte ist Geschichte und einer der wichtigsten Momente der Geschichte von World Wrestling Entertainment. Die Auswirkungen konnte man in diesem Moment natürlich nicht im Ansatz ahnen. Was man sah, war eine der großartigsten Promos der Geschichte. Eine Promo eines Mannes, den man hasste und der den Mann, den man anfeuerte mit Dreck bespuckte. Wenngleich man in diesem Moment keine neuen Ära anbrechen sah – man wusste doch, dass sich Stone Cold Steve Austin an diesem Abend unsterblich machte.

Family Business
Es gibt so viele Familiengeschichten im Wrestling. Da gibt es talentierte Brüderpaare wie die Hardyz genauso wie erfundene Verwandtschaften – und letzteres nicht zu knapp. Und was bekamen wir nicht schon für Beleidigungen an Storylines vorgesetzt, bei denen es um Familienehre, Betrug und Verrat ging – und das obwohl die Protagonisten in den meisten Fällen zwar den Arbeitgeber gemein hatten, nicht aber die Gene im Blute. Anders war das 1992, als sich der British Bulldog als Anwärter auf den Intercontinental Championship bewarb. Titelträger war Bret Hart, einer der beliebtesten Männer im Stall der WWF. Genau wie Davey Boy Smith. Doch trafen hier nicht nur zwei große Faces aufeinander, sondern auch zwei Schwager aus dem Leben fernab des Squared Circle. Tja, und WWE wusste das Ganze noch weiter zu toppen, denn zum ersten und bis dato letzten Mal veranstaltete man einen der großen Pay-Per-Views auf europäischem Boden, in England, der Heimat des British Bulldog. Natürlich gewann Davey und das Wembely Stadium stand Kopf. Diana, die Schwester Brets und Ehefrau des Bulldogs betrat den Ring und hob die Arme ihrer beiden Männer. Die Fans standen Kopf. Damals war ich elf Jahre alt und ich erlebte an diesem Abend (bzw. an dem, an dem die Show ausgestrahlt wurde – also geschätzte zwölf Wochen später) meinen ersten wirklichen Mark-Moment.

Some Sweet Music for Immortality
Wir schrieben das Jahr 2005. Shawn Michaels war einige Zeit zuvor nach vierjähriger Pause zurückgekehrt und mimte seither den Überface des RAW-Brands. Immer mal wieder kehrte auch Hulk Hogan in den Ring zurück und als sich nach WrestleMania mit dem Summerslam der nächste Big-4-PPV ankündigte, brachte auch er sich wieder ins Spiel. Ein knappes halbes Jahr zuvor nahm man den Unsterblichen in die Hall of Fame auf und das Publikum huldigte ihm bei der Zeremonie mit grausamen „One More Match“-Chants. Das bekam man, denn Shawn Michaels präsentierte Hulk Hogan als seinen Tag Team Partner in einem Match gegen die bösen Anti-Amerikaner Daivari und Muhammad Hassan. Krass, dass es mal Zeiten gab, in denen Hulk Hogan bei einem PPV gegen Daivari antrat… Naja, kommen wir zum Punkt. Die Face-Squad siegte und feierte – und dann spielte Shawn ein wenig Musik auf dem Kinn des Hulk Hogan. Shawn kickt Hogan. War – das – geil! So viele Momente vereinten sich in dieser Sekunde zu einem. Endlich turnte Shawn wieder Heel, endlich lag Hogan auf dem Rücken, endlich, ja, boah, war das geil. Es endete in einem Desaster, doch davon war in diesem Moment nichts zu spüren. Es war einfach nur geil.

Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!