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Unterm Strich ist Wrestling halt einfach nur Show. Es ist eine atemberaubende, großartig erzählte, fein choreographierte und absolut fesselnde Show - aber es bleibt eine Show. Zweifelsohne mit hohem athletischem Anteil. Unverzichtbar in einer Show, so auchim Wrestling, sind Elemente wie Drama, Thrill und Comedy. Nicht jeder große Athlet ist aber leider in der Lage, jedes erdenkliche Element großartigst zu verkörpern und so schließen wir den Kreis zum Inhalt dieser Reihe und befinden uns bei einem der wohl beliebtesten Mittel, einem Wrestler die Facette zu verleihen, die er aus eigener Kraft nicht vorweisen kann, will oder soll. Dem Sidekick. Sidekick goes Comedy - die Art von Nebenfiguren, die einem eher ernsten Charakter Spritzigkeit verleihen oder auch den vorhandenen Comedyansatz des Charakters weiter ausformulieren sollen. Am Ende soll der Fan lachen und den Wrestler dafür lieben. Zugegeben - das funktioniert nicht immer...
Das aktuellste Beispiel ist neben seiner momentanen Präsenz auch gleich eines der großen Paradebeispiele für die Benutzung eines Comedy Sidekicks. Hornswoggle, the Artist formerly known as Little Bastard wurde 2006 dem ernsten Charakter Finlay an die Seite gestellt. Bisher stellte man Finlay als bodenständigen, spaßfreien Iren dar, der es einfach liebte zu kämpfen. Eine Figur ohne große Show, die glaubhaft, präsent und real wirkte - kein Schnickschnack, er wollte einfach nur kämpfen. Irgendein Spaßvogel im Writingteam hatte nachts im Marihuana-Rausch den Film "Leprechaun" gesehen und prompt die Idee entwickelt, so etwas in seine Shows zu schreiben. Der Little Bastard war geboren und die Ernsthaftigkeit des Fit Finlay schien fürs erste zerstört. Eine große Überraschung war es dann, dass diese Irsinnsidee tatsächlich funktionierte. Anfangs hatte der Bastard nur die einfache Aufgabe, Finlays Kämpfe durch Attacken und Ablenkungen zu entscheiden - später erreichte er solch eine Popularität, dass er gar in Storylines miteinbezogen wurde, Matches bei PPVs bestritt und letztlich sogar mit einem eigenen Namen belohnt wurde: Hornswoggle.
Die Idee hinter der Miniergänzung zu Doink dem Clown war eine andere. Mitte der Neunziger hatte man mit Doink einen der besten Heel-Charaktere einer großen Zeit in seinem Roster. Der Widerspruch seines Auftretens, seines Äußeren und dem verkörperten Charakter grenzte an Genialität. Aber auch damals besaß man in den Reihen der World Wrestling Federation bereits das Talent, Genialität durch Banalität zu ersetzen und turnte den bösen Clown zum guten Clown. In diesem Moment zerstörte man nicht nur ein großartiges Gimmick, sondern nahm Doink auch jegliche Grundlage, erfolgreich weiter kämpfen zu können. Das neue Face-Gimmick war einfach zu passig, zu glatt. Also kopierte man sein Äußeres und formte ihm ein Mini-Me namens Dink - und schwupps war die fehlende Facette geschaffen. Die Erweiterung um den Zwergenclown schaffte es, den Faceturn zum Erfolg zu drehen, außerdem verhalf es Doink zu wichtigen Fehden gegen Bam Bam Bigelow oder Jerry Lawler, die mit den Survivor Series und WrestleMania sehr namhafte Schauplätze geboten bekamen. Irgendwann übertrieb man es dann, klonte die Mini-Clowns weiter und weiter und machte Doink damit letzten Endes selber zum Sidekick, das nur noch sporadisch über die Jahre verteilt mal auftreten durfte.
Ein Ähnliches Konzept, wie es auch schon seit knapp 130 Jahren mit Mae Young und the Fabulous Moolah praktiziert wird. Zwei Omas, die mal wahre Damenwrestling Legenden waren bekamen und bekommen noch heute in regelmäßigen Abständen Gelegenheit, das Ansehen ihrer großen Karrieren mit Füßen zu treten. Ich habe keine Ahnung, wie alt die beiden mittler Weile sind - aber das spielt auch keine Rolle. Sie sind abgefahren alt und das ist das einzige, worauf ihre Auftritte basieren. Während Moolah im hohen Alter noch das ein oder andere Mal in den Ring stieg und dafür wenigstens noch ein bißchen Respekt verdiente, avancierte Mae Young zum wohl ekeligsten Sidekick ihrer Zeit. Oben-Ohne-Auftritte bei Bikini-Contests - also bei Segmenten die ohnehin schon schwerst überflüssig waren und durch ihre Beteiligung ein neues Level der Überflüssigkeit erfuhren. Als Sidekick von Mark Henry bewies man endgültig, dass die Drug Policy auch für das Booking Team hätte eingeführt werden müssen. Sie war die Freundin einen unbeweglichen Klotzes, wurde schwanger und gebahr eine Hand. Den Sinn - oder wenigstens den Witz hinter dieser Geschichte habe ich bis heute noch nicht herausfinden können.
Das Gleiche gilt für ein Tag Team, dass uns die World Wrestling Federation um die Jahrtausendwende herum präsentierte. Al Snow hatte seine lustigen Tage hinter sich und ihm an die Seite stellte man den wohl unlustigsten Wrestler des gesamten Rosters - vielleicht sogar einen der unlustigsten Menschen der gesamten Geschichte der Menschheit, Steve Blackman. Ich fand Blackman irgendwie cool, aber gelacht hat der nie. Man überließ es also Snow, sich ein Gimmick für das Team auszusuchen und das Ergebnis war auch schnell gefunden. Sie nannten sich "Head Cheese" - Kopfkäse, eine Verdrehung des amerikanischen Schimpfwortes Cheesehead. Um das Gimmick glaubhaft präsentieren zu können, setzte man den beiden Protagonisten zum Einmarsch einen großen Schaumstoff-Käse auf den Kopf. Diese Ironie erschließt sich mir heute noch nicht. Ein Debutsieg über Kurt Angle und den British Bulldog scheint dabei aus heutiger Sicht genauso realitätsfremd wie die gesamte Grundidee, die es besagte zwei etablierten Kämpfern Käsehüte aufzusetzen. Nunja - von wirklichem Erfolg gekrönt war das glücklicher Weise nie und die Käsehüte verschwanden noch im selben Jahr von den Köpfen der beiden Männern und den Fernsehbildschirmen dieser Welt.
Shelton Benjamin ist zweifelsohne seit seinem Debüt bei World Wrestling Entertainment eines der mit Abstand größten Talente. Ideal war seine Besetzung im Team Angle und die folgende Karriere als Teil des World's Greatest Tag Teams. Als ihn die Draft Lottery von Partner Charlie Haas trennen sollte, bewies man absolute Klasse bei WWE und pushte Benjamin von seinem ersten Auftritt bei RAW an, bis hin zum Intercontinental Title, den er viele Monate lang halten durfte. Die Fans nahmen Shelton an, auch ohne erkennbares Gimmick, einfach wegen guter Leistungen. Dass das aber nunmal leider kein Selbstläufer über mehrere Jahre ist, haben schon viele andere Beispiele im Laufe der Zeit bewiesen. Also machte man den einfachsten Schritt: Man turnte Shelton. Als das dann aber auch nicht den gewünschten Effekt erzielte, griff man tiefer in die Trickkiste und zauberte einen der wohl kreativsten Sidekicks seit Jahren aus dem Hut: Shelton's Momma. Eine dicke, temperamentvolle Dame, die ihrem Sohn kräftig in den Allerwertesten treten wollte, damit er wieder siegt. Und das hat funktioniert! Shelton durfte wieder Gold gewinnen und bekam erstmals etwas wie ein Gimmick verpasst. Leider strotze sein Momma-Sidekick nicht gerade so vor Langlebigkeit und ging dem Fan sehr schnell auf den Geist. Aber man schaffte noch den rechtzeitigen Absprung und hinterließ somit dann doch einen der am besten konzipierten und eingesetzten Sidekicks des laufenden Jahrzehnts.
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