Einen ersten großen Bruch gab es bereits nach einem knappen Monat. Eigentlich sollte Rob Van Dam ja das große Aushängeschild des neuen Brands werden und drei Wochen lang zog man dies auch konsequent sowohl bei ECW als auch bei RAW durch. Zwar verteidigte er seinen WWE Title in der Midcard, aber er verteidigte ihn. Und zwar genau so lange, bis man ihn und Buddy Sabu bis zur Kopfdecke vollgestopft mit verdampftem Marihuana im Körper bei einer Polizeikontrolle vorfand. RVD verpasste das Schuldeingeständnis, das Sabu Kopf und Kragen rettete und so verlor die mit Gold beladene Hälfte des ECW’schen Cheech-&-Chong-SpinOffs innerhalb von nur zwei Tagen beide Gürtel.

Es war Rob Van Dam’s erste Titelverteidigung in den jungen ECW-Shows und in dieser musste er sich gleich für The Big Show hinlegen, bevor er eine lange Reise in Richtung Sperre antrat. Zwar war RVD zum damaligen Zeitpunkt ja auch bereits viel mehr WWE als ECW, mit Big Show hielt den Gürtel aber nun jemand, der so wirklich gar nicht mehr ECW war. Durch den Heelturn Paul Heymans schaffte man es zwar, Big Show ein bisschen in Richtung Extreme zu pushen, doch verlor man damit natürlich auch den Face-Heyman, den die Fans so unbedingt als eines der letzten Identifikationsmerkmale brauchten. Die Show, in der RVD den Gürtel verlor beinhaltete noch zwei weitere Kämpfe: Mike Knox squashte Little Guido, Test squashte Al Snow. An diesem Abend wurde endgültig klar, dass sich auch der Fan ändern musste. Denn das Produkt hatte sich längst geändert. Es war ein Umdenken gefordert und nur wer sich auf dieses Umdenken einließ, der hatte dann auch eine Chance, dem Ganzen etwas abgewinnen zu können.

Mit der Ära Big Show begann schließlich die unrühmlichste Phase der neuen Liga, denn Woche für Woche pushte man den neuen Champ, indem er gegen die größten Stars der RAW- und Smackdown-Brands antrat. Die Show drehte sich um den Champion, im Vorprogramm gab es nur Knox, Test und vielleicht nochmal Sandman und Sabu zu sehen. Lichtblicke waren kurze Backstage-Einspieler, die uns einen jungen Mann namens CM Punk für den ECW-Brand vorstellten. Doch etwas wie Storylines, Fehden oder irgendeine länger andauernde Rivalität zwischen Wrestlern oder gar Parteien vermisste man. Einziger roter Fade war eben jener Big Show, der nach und nach Männern wie Ric Flair, dem Undertaker oder Kane gegenüber stand. WWE schien das alles okay zu finden und schreckte daher auch nicht davor zurück, dieses Konzept im ersten (und letzten) eigenen ECW-Taping fortzuführen. Es war die eine Nacht, in der man in den Hammerstein Ballroom zurückkehrte und den verwöhnten Fans in Philadelphia eine Show namens ECW verkaufte, bei der im Main Event ein sogenannter ECW Champion Big Show gegen einen Batista antrat.

Oh. Mein. Gott.

Es fing ja gar nicht schlecht an. Die Neulinge Test und Knox durften dieses Mal gemeinsam ran und zerstörten zwei Originale. Das ganze nannte sich „Extreme Rules Match“. Wenngleich man als Einwohner von Philadelphia ein Problem damit haben dürfte, dass zwei kantenlose Big Men ihre Idole Tommy Dreamer und den Sandman in deren Paradedisziplin besiegten, hatte es zumindest vom Rahmen her annähernd das, was sie im Ballroom erwarteten. Anschließend debütierte CM Punk und auch wenn dieser niemals in der originalen Liga antrat und ihm mit Justin Credible ein ehemaliger Champion dieser Liga gegenüberstand, bewiesen die Fans ihre Klasse. Sie bejubelten CM Punk, wie ich es niemals vorher bei einem Debüt für den Debütanten erlebt hatte. Leistung zählte in Philadelphia noch immer und so war es auch immer noch im Rahmen des Erträglichen, dass ein Kurt Angle einen kurzes Squash abliefern durfte. Doch dann kamen Batista und The Big Show und ich dachte, das Dach stürzt jeden Moment ein. Missgefallen wurde durch Fans selten so prägnant ausgedrückt wie bei diesem Match an diesem Abend. Zu Allem Überfluss ließ man das Spektakel in einem DQ-Finish enden und unterstrich dadurch noch einmal, dass dies alles war, aber nicht Extreme Championship Wrestling. An der Stelle, an der ein WWE-Referee einen Wrestler disqualifiziert, fing für die ECW-Fans zu guten alten Zeiten der Kampf erst richtig an. Hier nicht. Man beendete ein Schachspiel mit Elfmeterschießen oder Fechten mit ‘nem Field Goal. WWE bekam so deutlich wie noch nie zu spüren, dass sie auf dem vollständig falschen Weg waren. Den WWE-Fans, die ECW nur als Beigabe zu RAW oder Smackdown ertragen mussten, den war das egal. Philly nicht.

Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!