Stevie Richards begann ein Programm mit Kevin Thorn, bei dem er Siege einfuhr. The Miz und Big Daddy V kamen auf ganz unterschiedliche Art und Weise bei ECW an. John Morrison eröffnete seine „15 Minutes of Fame“-Challenge gegen stadtbekannte Jobber und schaffte es over zu werden, als hätte man mit dem Gimmickwechsel bei ihm und beim Publikum gleichzeitig einen Schalter umgelegt. Die ECW-Shows waren plötzlich komplett rund. Jeder Worker war irgendwie präsent und involviert und erstmals schaffte man es, diese Leistungsdichte zu erschaffen, die ECW bis zum Ende prägte.

ECW’s  ganz eigene Version der Masterlock-Challenge / Kurt-Angle-Invitational war also John Morrison‘s „15 Minutes of Fame“. Man hatte mit John Morrison improvisiert und einen neuen Charakter direkt an der Spitze der Show etabliert und nun galt es offensichtlich, diesen over zu bringen. Bisher war ECW davon geprägt, dass Originale mit Neulingen rauften und ein Champion mit seinem Gürtel in den anderen Shows umherwanderte, ohne seinen eigenen Brand voran zu bringen. Morrison sollte nun das Eigengewächs sein, das die ECW-Tür wieder abschließt und zwar von innen um dort untereinander zu kämpfen, Geschichten zu erzählen, zu unterhalten. Die Trades aus der vorangegangenen Draft Lottery waren derweil auch angekommen und so war die Dienstags-Show neben dem neuen Champion auch um ein nacktes Monster namens Big Daddy V bereichert, das Woche für Woche 2-er- und 3-er-Teams unter sich begrub, sowie um Extravaganzen wie den Boogeyman und andere kleine Gemeinheiten.

Alles lief auf Punk-Morrison hinaus und doch gelang es den Bookern, wesentlich mehr Charaktere in seinen Shows einzubinden. Plötzlich siegte selbst ein Stevie Richards über einen gut gepushten Kevin Thorn und begann ein beachtetes Programm mit ihm. Burke, Dreamer, der Boogeyman, Big Daddy V und gar der bisher gänzlich unauffällige The Miz stritten sich um die No.1-Contenderkrone und baten CM Punk damit gleich in breiter Front Paroli. Das Ergebnis waren tolle Titelkämpfe, spannende Schlachten hin zu den Titelkämpfen und eine sehr hohe Dichte an potenziellen Herausforderern. Dort wo es vorher eine Drei-Klassengesellschaft aus 1. bemitleidenswerten ECW Originalen, 2. lieblos dargestellten Neulingen und 3. dem ECW Champion gab, hatte ECW nun etwas, was es zu einer glaubwürdigen Show machte: Ein Roster. Einen Topf an Wrestler, die miteinander auf unterhaltsamer Art und Weise interagierten, sich von Erfolg, Jobbern und Würmer ernährten.

Nach vielen Wochen konnte es CM Punk endlich gelingen, John Morrison von dessen Thron zu stürzen und als Plattform wählte man eine reguläre wöchentliche Ausgabe der Show Anfang September 2007. Leider nahm man allerdings John Morrison  vorerst aus dem Titelrennen und bookte CM Punk viel zu schnell neue Gegner entgegen. Nach nur einer Woche Aufbau absolvierte der spätere Gründer der Straight Edge Society gleich einen PPV-Titelkampf gegen Elijah Burke, später startete man ein interessantes Konzept zur Contender-Ermittlung namens „Championship Chase“, bei dem Morrison aber leider wieder fehlte und das man zum Finale hin persiflierte. Das Konzept sagte: Die 4 tollsten Typen des Rosters kämpfen in einem Fatal-4-Way-Match gegeneinander an. Derjenige, der gepinnt wird ist raus – die restlichen Drei bekommen es in der kommenden Woche in einem Triple Thread Match miteinander zu tun, bevor die beiden Ungepinnten dieses Kampfes in Woche drei den No.1-Contender unter sich ausmachen sollten. Elijah Burke eliminierte so in Runde 1 und 2 Stevie Richards und Kevin Thorn und hatte es im Finale mit Überraschungskandidat Tommy Dreamer zu tun. Die Sache galt als sicher, doch unter lautem Staunen sahen wir zu, wie sich der Innovator of Violence tatsächlich den Spot holte. Doch für ECW wurde nicht umsonst kurz zuvor ein eigener General Manager benannt – denn direkt nach Dreamer’s Sieg kam Armando Estrada heraus und verkündete, dass Big Daddy V spontan auch noch Bock auf den Chase bekommen hatte und in weniger als drei Minuten war der Herausforderer keine ECW Legende, sondern ein Zwillingsbruder von Jabba the Hut, dessen Tattoos nicht mal auf die Motorhaube eines VW Golf passen würden. Tolles Konzept – so rüde zerstört. Drei Wochen Aufbau einfach so dahin – doch als fühlte man sich als Fan der Show da nicht schon berummst genug, ließ man das kommende Titelmatch beim PPV nach nicht einmal 2 Minuten DQ-bedingt abläuten.

Dementsprechend hatte man gelinde gesagt Handlungsbedarf, was die Ausrichtung der Show anging. Schließlich verbrachte man mehrere Wochen fast ausschließlich mit dem Aufbau eines Herausforderers, den das Publikum offensichtlich nicht wollte. Also warf man endlich den Ex-Champ wieder in die Lostrommel und besänftigte das aufgebrachte Volk mit einem Sieg über den Champion in einem Non-Title-Match. Big Daddy V kam nur noch ab und an mal dazu und vermöbelte die beiden oder den ebenfalls plötzlich im Titelrennen mitspielen wollenden Miz. Einen Herausforder zu präsentieren, den das Publikum nicht will, dass sollte nicht wieder passieren und so kam der Cyber Sunday wie gerufen. Klar, V musste mit auf die Liste, Morrison als klarer Favorit natürlich auch und mit einer überraschenden Nominierung von The Miz bot man dem Publikum also drei Auswahlmöglichkeiten, aus denen sie den Gegner für den Punker bestimmen durften. Das Publikum – die sind schon in Ordnung und so kam die dicke Überraschung postwendend, als man im engsten Vote des Abends The Miz vor John Morrison in das Match wählte.

Noch heute bin ich aufgrund dieses Ergebnisses der festen Überzeugung, dass wir selbst, die Fans, es waren, die mit The Miz und John Morrison das großartigste Tag Team der Neuzeit kreierten. Denn aus der überraschenden Wahl Mizanins machte man zunächst ein Titel-Triple und ließ schlussendlich das Dirt-Sheet-Team aus dieser Konstellation entstehen. Zunächst eröffneten sie noch zu dritt die Survivor Series, doch schon kurz drauf war klar, dass Miz und Morrison mehr verband als nur dasselbe Ziel. Bei dem ganzen Hin und Her im Titelrennen, der stetigen Suche nach Herausforderung und dem Aufbau dieser blieb eine Sache allerdings über Wochen vollkommen auf der Strecke: die Storylines fernab des Mainevents. Die letzten Midcard-Fehden wie Boogeyman-Big Daddy V oder Thorn-Richards waren schon ewig her und es mehrten sich wieder Auftritte von Gaststars der anderen Brands. Dadurch, dass man Punk und die Dirt-Sheet’ler nun aber trennte gelang es, der Show zwei spannende Facetten zu geben, wo vorher nur eine war. Grässlichen Beigeschmacks wie dem Extreme Exposé hatte man sich derweil entledigt und baute nun auf zwei Säulen: MiMo und Punk-vs-Giants. Miz und Morrison holten schnell das Tag Team Gold zur ECW, Punk bekam es mit der schaurigen Allianz aus Mark Henry und Big Daddy V zu tun. Langsam machte es also den Anschein, als wolle man CM Punk absichtlich niemanden gegenüberstellen, mit dem es möglich war, ein gutes Match zu zeigen. Kevin Thorn schnitt man die Haare ab (und damit auch sämtliche Individualität), Kane und CM Punk wurden Buddys und mit Colin Delaney debütierte ein zunächst unfreiwilliger Running Gag – und das Jahr 2007 ging zu Ende.

Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!