Es war der 01. Januar 2008, ein neues Jahr im Land der Extreme und so begann World Wrestling Entertainment dies mit einer Ausgabe von ECW on SciFi. Viele Grundsteine waren gelegt – in der letzten Ausgabe vor dem Jahreswechsel attackierte Chavo Guerrero den ECW Champion CM Punk überraschend nach dessen Match gegen ECW-Gast MVP. Ein junger Colin Delaney debütierte – noch gänzlich ohne Bandagen und ein frisches Tag Team bestehend aus The Miz und John Morrison wollte neue Maßstäbe in Sachen Teamwrestling und vor Allem in Unterhaltung setzen. Genau um diese Baustellen bauten sich die folgenden Wochen dann auch auf. Jimmy Wang Yang und Shannon Moore bekamen ihre 15 Minutes of Fame gegen die Tag Team Champions, Punk und Guerrero kämpften fast wöchentlich gegeneinander und kamen eigentlich nie zu einem cleanen Ausgang. Colin Delaney befand sich die meiste Zeit unter den Stiefeln und Hintern von Männern wie Big Daddy V, Mark Henry, Kane oder dem Great Khali und verdiente sich dadurch den Respekt des Veteranen Tommy Dreamer. Wir lernten, wie toll es war, wenn Shelton Benjamin performen darf, wir lernten, dass das „CM“ in CM Punk für „Crazy Mariachi“ steht, wir lernten, dass The Miz weitaus mehr war als ein beliebiger Joey Mercury Ersatz und wir lernten einen jungen *hust* Jamaikaner */hust“ namens Kofi Kingston kennen. Ja, es war so wie es klingt – die Chaostage bei ECW schienen vorerst vorbei zu sein und man gab sich wirklich merklich Mühe, ein durchgehend spannendes und vor Allem abwechslungsreiches Produkt zu präsentieren. Es war nicht das erste Mal, dass man uns dieses Gefühl gab – aber würde man es dieses Mal durch Langfristigkeit bestätigen können?

Spannend und Abwechslungsreich – letzteres ist ein Stichwort, aber natürlich keine Entschuldigung für alles, was man so trieb. Wenn man als treusorgender Ehemann seine Frau betrügt, nur um etwas Abwechslung in seinen positiven Charakter zu bringen – dann ist Abwechslung nicht zwangsläufig… gut. So passierten in der Matchserie zwischen Punk und Chavo auch leichte Ausrutscher, wie bspw. ein sogenanntes „Gulf of Mexico“-Match, bei dem es galt, seinen Gegner in den… ja, Golf von Mexiko zu werfen. Wie eine Mischung aus Casket Match, Hog Pen Match und diesen zweifelhaften WCW-Shows, in denen der Ring auf ‘nem Pool aufgebaut war. Zumindest war der Aufbau des Ganzen ziemlich eindeutig: Chavo Guerrero hatte einfach nicht das Standing, dass CM Punk von ihm als Übergangsgegner hätte profitieren können – insofern war es keine sonderliche Überraschung, dass Chavo sich den Titel sicherte. Und schlimm war es eigentlich auch nicht, weil er in der neuen Rolle im extremen Brand eine wirklich gute Figur machte und CM Punk den Gürtel mittlerweile gar nicht brauchte und als sicherer Kandidat für einen Wechsel bei der 2008er Draft Lottery galt.

Zwar durfte man Chavo damals – man beachte: vor der Hornswoggle-Affäre – als durchaus prominenten Namen bezeichnen, doch verpasste man es allerdings, auf der Road to WrestleMania einen passenden Gegner für ihn aufzubauen. Nach dem Ende des Programmes mit CM Punk verwickelte man den Champ noch kurz in die Delaney/Dreamer-Storyline, das Potenzial dessen nutzte man aber nicht aus und so stand der Champ ohne Gegner da. Die Lösung: eine Battle Royal im Vorfeld der WrestleMania-Hauptshow, dessen Sieger später am Abend – und das war offensichtlich – Chavo Guerrero um den Titel besiegen durfte.

Der Vorteil dieses Fehlverhaltens im Booking-Team war, dass man genügend Plattform hatte, dem Rest des ECW-Rosters Form zu geben. Mit Colin Delaney fieberte man auf dessen Jagd nach einem ECW Vertrag mit. Mit Stevie Richards freute man sich über eine kleine Siegesserie, bevor ihn WWE ins Nirvana schoss, und an Kofi Kingston erfreute man sich, da er ein sympathischer, frischer Neuling war. CM Punk schaffte die Qualifikation für das 2008er Money in the Bank Match und Mike Knox kehrte in aus heutiger Sicht erstaunlich rasiertem Zustand aus einer Pause zurück, in der man ihn fast komplett vergessen hatte. Kurz gesagt: in der 2008er Road To Wrestlemania kam ECW angenehm unaufgeregt daher und bildete damit einen netten Entspannungspunkt in der Wrestlingwoche, in der sich sonst alles nur um große Geschichten wie einen in den Ruhestand gehenden Ric Flair oder einen nasebrechenden Boxer von der Größe eines Parkscheinautomaten drehte.

Und dann kam WrestleMania 24 – und es waren weder der ECW Champion, noch dessen per Battle Royal ermittelte Gegner, die für ihren Brand für das meiste Aufsehen sorgten. Nein, es war ECW-Wrestler CM Punk, der sich im Money in the Bank Ladder Match die sichere Chance auf eine World-Title-Regentschaft sicherte. Was von vielen erhofft war, wurde tatsächlich von WWE umgesetzt und da verschwamm es fast zur Fußnote, dass die eigentliche Krone des Brands nach nur einem stiffen Chokeslam den Besitzer wechselte.

Dass man Kofferträger CM Punk seinem Publikum weiterhin brav präsentierte, ihn aber aus größerem Geschichten weitestgehend heraus hielt, unterstützte einmal mehr die naheliegende Vermutung, dass seine Mitgliedschaft im kleinen Brand sicher mit der nächsten Draft Lottery enden würde. Chavo bekam seinen Rückkampf gegen Kane, der nach seinem Titelgewinn natürlich auch offiziell in den ECW Brand gewechselt war. Ebenso dachte sich ECW General Manager Armando Estrada auch weiterhin Gemeinheiten für Colin Delaney aus, über die er ihm Chancen auf einen ECW Vertrag gewährte. Wenn man überlegt, wie lange Colin zu diesem Zeitpunkt im Vergleich zu René Dupré, den Major Brothers oder einigen ECW Originals aber schon im Dienstagsbrand auftrat, wirkte das doch irgendwie blöd – schließlich schien es eben jene Jagd nach dem Vertrag zu sein, die ihn eh jede Woche dort aufschlagen ließ. Was Colin brauchte, war also weniger der Vertrag, sondern vielmehr nur den Willen einen solchen zu bekommen. Wie auch immer – das entstandene Dreieck aus Estrada, Dreamer und Delaney machte Spaß.

The Miz und John Morrison hatten derweil ihr eigenes Internet-Segment namens „The Dirt Sheet“ entwickelt, welches sie endgültig zu großen Stars machte. So groß, dass man den beiden Money Matches wie bspw. gegen die Brothers of Destruction gönnte. Einer dieser Brüder, der ECW-Champion Kane, schlug sich derweil weiter mit Chavo Guerrero herum, der sich derweil um eine traurige Figur namens Bam Neely erweitern ließ. Traurig weil offensichtlich zum Scheitern verurteilt. Aber auch dieser Versuch, Chavo Guerrero als Gefahr für einen Kane darzustellen war eine Totgeburt. Zwischenzeitlich lief man bereits zum 100sten Mal unter dem Banner „ECW on SciFi“ über die Bildschirme und in diesen einhundert Shows hatte sich viel verändert. Tommy Dreamer war der einzige Überlebende der Wiedergeburtsstunde von Extreme Championship Wrestling und erinnerte uns mit seiner Niederlage gegen Mike Knox in einem Extreme Rules Match daran wofür das neue Produkt stand: Eben nicht für die alte ECW, sondern vielmehr für eine Art moderne Talentschmiede, die junge Gesichter wie eben Mike Knox oder Kofi Kingston vorstellte und förderte oder wie am Beispiel CM Punk zu erkennen, sogar für die ganz großen Aufgaben vorbereitete.

Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!