"Heartbreak Kid" Shawn Michaels

...oder:
"Die Geschichte von der unendlichen Dummheit des schier endlosen Egotrips eines wahnsinnig talentierten Ekels."


Herzlich willkommen zur inzwischen bereits vierten Ausgabe dieser Spielwiese des Zynismus’. Heute soll ein Athlet behandelt werden, der vermutlich als einer der besten Wrestler unserer Zeit angesehen werden kann, da er Workrate, Charisma und Aussehen in passender Weise kombiniert. Die Rede ist dabei nicht vom Nature Boy Ric Flair, sondern von Shawn Michaels, dem Herzensbrecherjungen, der er nun einmal auch noch mit über 40 sein soll.

Bevor wir uns falsch verstehen: dieser Text soll auf keinen Fall die Verdienste und Leistungen von Shawn irgendwie in Abrede stellen, es geht lediglich darum, ein gewisses Verhaltensmuster aufzuzeigen. Denn, so gut gelaunt und unkompliziert wie der Bursche vor der Kamera ist, scheint er hinter den Kulissen nicht immer gewesen zu sein. Dabei meine ich wohlgemerkt nicht die Zeit nach seinem Comeback 2002, sondern eher die Zeit der späten 90er, als er zwar einer der besten Worker seiner Zeit war, aber eben auch einer der größten Stinker.

Waren die vorangegangenen Ausgaben vor allem damit beschäftigt, hart arbeitende Athleten zu diskreditieren, die dasselbe mit ihrem Sport durch öffentliche Dummheiten gemacht haben, soll diese Ausgabe eine Dummheit darstellen die vor allem interne Folgen hatte. Um die Scheinheiligkeit und Idiotie der ganzen Angelegenheit darzustellen werfen wir einen kurzen Blick auf die Karriere von HBK, und vor allem seine Titel. Die meisten werden sich an das legendäre Leitermatch bei WM X zwischen dem Behandelten und seinem Clique-Kumpel Scott Hall erinnern, das zur damaligen Zeit einfach revolutionär war und ganz neue Standards gesetzt hat. Meinetwegen gab es in den Indys vorher auch schon Leitermatches, und krassere Bumps sowieso, aber einer so großen Menge bei der Jubiläumsausgabe der wichtigsten Show des Jahres so etwas zu präsentieren erforderte eine ganze Menge Mut, und demnach auch im Nachhinein noch allen Beteiligten (hat das eigentlich wieder Pat Patterson gebookt?) großes Lob. Die Tatsache, dass ein solches Match überhaupt Sinn ergab, war damit begründet, dass Shawns IC-Titel für vakant erklärt wurde, weil er ihn (offiziell) nicht verteidigte und (inoffiziell) wegen diversem Fehlverhalten suspendiert wurde. Als er wieder zurückkam hatte man natürlich den perfekten Aufhänger, und Shawn hatte die perfekte Argumentation, dass er den Titel niemals klar verloren hätte. Was eigentlich eine Storyline darstellt scheint sich jedoch vielmehr wie ein roter Faden durch seine Karriere zu ziehen. Zumindest bis zu WM XIV gab es keinen einzigen Fall bei dem Shawn den Titel sauber abgegeben hätte oder klar verloren hätte und ihn danach nicht umgehend wieder zurück bekommen hätte. Eine kurze Übersicht, mit edlem Dank an Harry Simon von www.thewrestlingfan.com:

-       Er verlor dank des Eingreifens von Mr. Perfect den Titel für ein paar Wochen an Marty Jannetty.
-       Wie angesprochen wurde ihm der Titel aberkannt.
-       Der Tag-Team-Titel von ihm und Diesel wurde vakant als die beiden sich trennten, und Shawn erwies dem Titel seine Ehre, indem er ihn in eine Mülltonne warf.
-       Er gab den Titel ab als er von einer Horde Betrunkener (*hust* ein einzelner *hust*) in einem Nachtclub verdroschen wurde.
-       Er gab den World Title an Sid ab, um ihn zwei Monate später wieder zu gewinnen.
-       Er „verlor sein Lächeln“ und gab den World Title freiwillig ab, was einem Titel und dessen Ansehen natürlich immer gut tut.
-       Nach einer Backstagekonfrontation mit Bret Hart wollte er aus seinem Vertrag und der Tag-Team-Titel mit Steve Austin wurde für vakant erklärt.
-       Er sollte den European Title an Owen Hart abgeben, ließ sich jedoch vorher von seinem Kumpel Triple H in einer Farce pinnen, damit dieser ihn von Goldust an Owen weitergeben lassen konnte.

Natürlich kann man argumentieren, dass bei den angesprochenen Punkten in mehr als einem Fall eine Storyline dahinter stand bzw. wenig kooperatives Verhalten dabei nicht schadete, aber die pure Häufung ist doch ein wenig bedenklich und riecht nach shoot. Wenn man noch den Titelverlust mit John Cena ansieht (der allerdings voll und ganz work war) ist es wohl nicht sehr empfehlenswert, mit HBK zusammen ein Tag Team zu bilden, da man entweder ins Gesicht getreten oder am Ende allein gelassen wird – und shoot oder nicht, man steht immer doof da.

Jedenfalls, als Quintessenz der Auflistung kann man vermutlich sagen: HBK gibt seine Titel nicht gerne ab. Dazu passt auch die gerne zitierte Geschichte, dass der Undertaker ihm angedroht haben soll (und wohl auch hat), ihn in der Umkleide frisch zu machen wenn er sich nicht sauber für Steve Austin hinlegt. Das und sein früher sehr politisches Backstageverhalten haben ihn nicht eben zum beliebtesten Athleten in den Umkleideräumen der WWF gemacht. Zudem gilt bzw. galt er früher als Weichei, und die Sache mit der Schlägerei im Nachtclub (es gilt als Schande für das Business wenn ein Wrestler einen echten Kampf – wenn nicht vermeidbar – gegen einen „Zivilisten“ verliert) war hierbei nicht eben dienlich. Insofern war es auch nur konsequent, dass sein „verlorenes Lächeln“ von Mick Foley einmal in einer Promo mit einem shoot thematisiert wurde.

Das alles muss man berücksichtigen wenn man sich die nun folgende Dummheit ansieht, die seinen Ruf bei seinen Kollegen auch nach seiner Rückkehr noch schwer belastete: beim SummerSlam 1999 fand ein Triple Threat um den Titel zwischen Steve Austin (bis dato Champion), Triple H und Mankind statt. Steve Austin verlor seinen Titel, wollte ihn jedoch nicht direkt an Triple H geben sondern an Mankind, da dieser den größeren Namen zur damaligen Zeit hatte. Neuer Champion wurde also Mankind und einen Tag später dann Triple H, Steve Austin wollte also nicht auf Kosten seines Rufs jemanden pushen für den es der erste Titel gewesen wäre. Dazu kann man nun geteilter Meinung sein, und wenn Ric Flair sagt, dass das nicht in Ordnung ist – hey, er hat sich in seiner gesamten Karriere nur zweimal geweigert zu jobben, und das für einen blutjungen Lex Luger und Ric Steiner, insofern darf er das. Wer das NICHT darf ist – neben dem Backstageblutsauger Hulk Hogan – Shawn Michaels, der sich bis dahin außer für Steve Austin für exakt niemanden sauber hingelegt hatte um einen Titel weiterzugeben. Zudem war er damals nicht so in das Geschehen involviert – sprich: er war im Ruhestand – und äußerte sich dennoch öffentlich kritisch über Steve Austin und dessen Jobverhalten. Das Ganze ist wirklich ein wenig, nein, gewaltig paradox, und führte letztlich dazu dass bei seinem Comeback Shawn Michaels nicht nur Jubelrufe entgegen kamen.

Zusammengefasst: man darf ein Egomane sein, ein angebliches Weichei und ein elender Backstage-Politiker, man braucht sich dann aber nicht zu wundern, wenn einen die Kollegen nicht mehr allzu sehr respektieren. Sämtliches Wohlverhalten des heutigen Shawn Michaels kann das Bild seiner Kollegen von ihm wohl lediglich relativieren, da er zu seiner Glanzzeit hinter den Kulissen wohl genau das war, was er vor der Kamera als einer der besten Heels aller Zeiten darstellte – ein elender Kotzbrocken. Und das auch noch zu manifestieren ist die Dummheit der heutigen Ausgabe.

Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!


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