Was zeichnet eigentlich einen wirlich guten Wrestler aus? Athletik ist sicherlich ein ganz besonderer Aspekt, aber zu oft in der Vergangenheit war zu sehen, dass pures Verständnis für den Sport einfach nicht alles ist, was einen im Sports-Entertainment zu einer großen Nummer macht. Oft hört man von Eigenschaften wie "Micwork" oder schlicht "Charisma". Und da ist auch was dran. Ein Wrestler ist auch ein Schauspieler, er verpackt geskriptete Geschichten in körperliche Konfrontation. Den Weg dahin baut er auf, indem er Promos hält, das Publikum durch Mimik und Gestik in seinen Bann zieht oder auch kurz gesagt: Die ihm zugesagte Rolle spielt. Der eine macht das besser, der andere macht das weniger gut. Diese Rollen bezeichnet man als "Gimmick" und nur in den seltensten Fällen weicht dieses kaum von der eigenen Persönlichkeit ab.

Einen wirklich guten Wrestler zeichnet aus, dass er glaubhaft ist. Dass man ihm seine Rolle im Ring und auch seine Rolle außerhalb des Ringes abnimmt, ihm glaubt, was er da tut. Für diesen Glauben muss man nicht soweit gehen zu denken, dass Nick Dinsmore tatsächlich einen an der Klatsche hat oder das Dustin Runnels - ach, ihr wisst schon, was ich meine. Der Glaube soll die Geschichte kurzzeitig vergessen machen und es dem Fan erlauben, in selbigen einzutauchen.

Erfüllt ein Wrestler diese Eigenschaften, dann ist er für das Business geboren und tut das, was jemand in seinem Job tun muss: Unterhalten. Und zwar nicht nur in einem bestimmten Match oder in einer bestimmten Situation, sondern über einen sehr langen Zeitraum hinweg. Dann ist er fähig dazu, Momente zu kreieren. Bei der schlechten Performance eines einzelnen kann das Booking noch so gut sein - es wird niemals ein unvergesslicher Moment entstehen. Und umgekehrt ist es noch viel krasser, denn ein wirklicher Star kann es schaffen, Momente an solchen Stellen zu kreieren, an denen es das Booking gar nicht vorsieht. Ganz wenige Männer erfüllen diese Eigenschaften und eben diese Männer werden gemeinhin als "Legenden" bezeichnet. Und das sind sie - in ihrem Metier. Sie sind die Männer, die Momente schufen.

Thumbs down
Triple H und Ric Flair sind ohne Zweifel zwei solcher Männer, wie sie in der Einleitung beschrieben stehen. 2003 vereinte man die beiden Legenden und ließ sie ein Stable gründen, dass seine Zeit prägte. Große Genialität besaß die Evolution nicht nur wegen ihrer beiden Anführer, sondern auch wegen der gesamten Zusammensetzung - denn mit Randy Orton und Batista stellte man Flair und The Game zwei aufstrebende Talente an die Seite, die es bisher alleine nicht schafften, neben den Altmeistern jedoch zu glänzen begannen. Die Positionen waren anfangs klipp und klar. Hunter war der Chef und der Nature Boy war der Mentor. Randy war der junge Wilde und Batista war der Problemlöser - beide jedoch für die Midcard bestimmt. Das funktionierte prächtig. Während Triple H um den World Heavyweight Title fehdete, gewannen Orton und Batista Midcard-Gold und steckten in interessanten Fehden. Langsam aber sicher arbeitete sich Randy Orton jedoch Schritt für Schritt nach vorne, glänzte in seinen Promos und wurde bei den Fans beliebter und beliebter. Orton war jung und als er sich beim Summerslam 2004 den World Title von Chris Benoit holte, bejubelte man Randy anstatt ihn getreu seiner Rolle auszubuhen. Beim folgenden RAW zelebrierte die Evolution seinen neuen Champion. Randy saß auf Batistas Schulter und Triple H machte das berühmte Zeichen. Für Randy bedeutet dies Face-Turn, Rausschmiss aus der Evolution und Ende des ersten großen Runs zugleich. Niemand interessierte sich für Orton als Face und der Titel war nach vier Wochen schon wieder futsch - und doch beduetet dieser Moment so unglaublich viel.

He fell from a cell
Mick Foley erlang bei World Wrestling Entertainment durch seine Auftritte als Mankind, Cactus Jack und Dude Love Kultstatus. Mit ihm vollzog man etwas, dass sich haarscharf am Kayfabe bewegte, denn man rückte bei seinen Charakteren nicht die jeweilige Figur in den Fordergrund, sondern den Privatmann Mick Foley. So ertönten selbst zu den Hochzeiten des Face-Mankind stets "Foley! Foley!"-Chants im Publikum. Die bewegende Lebensgeschichte, die jeder Fan durch die Mutter aller Autobiographien im Wrestling kennenlernte machte Foley zu einem größeren Sympathieträger als es ihn seine Gimmicks jemals hätten machen können. Ein Fan war auch ich schon immer - den allergrößten Respekt vor Mick Foley habe ich jedoch in den Momenten errungen, in denen ich ihn als Privatperson sah oder von ihm las. Legendär sind die Backstage-Videos vor und nach seinem Titelkampf gegen The Rock, in denen er seiner Tochter mit blutverschmiertem Gesicht sanft über's Haar streicht und beteuert "Daddy is fine.". Mick Foley ist ein Mann, der alles für das Business, das er liebt gegeben hat. Und wer erinnert sich nicht an den Moment, als er vom Undertaker vom Dach der Zelle gestoßen wurde und rüde auf dem Kommentatorenpult zum Liegen kam. In einer anderen Situation stößt ihn der Taker durch das Zellendach in die Ringmitte. Der Ring gibt nach und der Taker gab später zu, dasselbe gedacht zu haben wie jeder Fan, der diese Situationen ansah: Das hat Foley nicht überlebt. Er hat - und es gibt vermutlich niemand anderen im Sports-Entertainment, der durch diese Momente unsterblicher geworden ist als Mick Foley. Hallelujah.

The show stopped one more time
Es war eine Sensation, als Shawn Michaels 2002 nach vierjähriger Abstinenz in den Ring zurückkehrte. Was anfangs wie eine One-Night-Only-Sensation aussah, entwickelte sich nach dem Streetfight beim Summerslam 2002 peu à peu zu einer noch viel größeren Sensation. Shawn Michaels besiegte nicht nur seinen Langzeitrivalen Triple H, nein, er fand auch Gefallen daran, im Ring zu stehen und bemerkte, dass auch sein Rücken plötzlich nichts mehr dagegen hatte. Bei einer RAW-Show nach dem Summerslam kündigte General Manager Eric Bischoff an, die Survivor Series von etwas nie dagewesenem headlinen zu lassen - die Elimination Chamber war geboren. Und neben dem Champion und vier bekannten Upper Midcardern wurde wie aus heiterem Himmel der Heartbreak Kid als sechster Teilnehmer bestätigt. RVD, Booker T, Chris Jericho und Kane waren ab diesem Zeitpunkt nur Statisten und es ging nur um eine Frage: Beendet Triple H nun offiziell und mit einem großen Bang die Karriere seines Buddys oder leutet ein Titelgewinn des Showstoppers tatsächlich sein Fulltime-Comeback ein? Es passierte - Shawn triumphierte und war plötzlich wieder Champion. Ich fühlte mich zehn Jahre in der Zeit zurückversetzt, war wieder ein elfjähriger Vollblutmark und feierte mit dem Idol meiner Jugend. Die Bilder hab ich noch heute genau vor Augen und es was unfassbar.

Back in Black
Anfangs hab ich die nWo bei der WCW geliebt. Denn irgendwie kamen mir die Jungs so vor, als hätten wir einen gemeinsamen Feind: die WCW. Während ich als WWF-Mark anfangs sehr sauer darüber war, dass Diesel und Razor Ramon die Liga in Richtung Turnerland verließen, dachte ich nun, sie würden wenigstens weiterhin für die selbe Sache kämpfen. Nunja, das stellte sich dann als falsch heraus und wurde auch noch dahingehend viel schlimmer, dass die Genialität der Ur-nWo meine Heimatliga auf Rang zwei der großen amerikansichen Wrestlingligen verdammte. Also hasste ich fortan nicht nur die WCW sondern mit ihr auch die New World Order. Zeitsprung. Die WWF kauft die WCW und mit ihr alles, was mal mit ihr zu tun hatte - Wrestler, Tapes und Rechte. Es gab einen Overflow an bisher undenkbarern Konstellationen und Vince McMahon schlachtete tatsächlich jede sich bietende mutmaßliche Sensation bis ins Detail aus. Und doch muss ich zugeben, dass ich unter der Euphorie des Sieges über die WCW stehend, innerhalb dieser Ausschlachtung doch den ein oder anderen Mark Moment erlebt habe. Einer war definitiv das Debut der nWo. Es kamen so viele Faktoren zueinander: Das aufflammende Gefühl des Sieges, der sich anbahnende Anfang einer neuen Ära und die Tatsache, dass Razor Ramon, Diesel und sogar Hulk Hogan endlich wieder unter dem einzig waren Banner der World Wrestling Federation antraten. Nunja, der gesamte Angle war ein Reinfall - aber hier geht es um Momente und dieser hat definitiv gerockt.

Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!