Jeder kennt vermutlich dieses Gefühl, etwas Einzigartiges zu erleben - aber blöder Weise ist man alleine und kann es mit niemandem teilen. Erzählt man später voller Euphorie von seinem Erlebnis, wirkt das Wort aus dem eigenen Munde unspektakulär und ernährt nicht die Erwartung der Zuhörer. Weil man den Moment miterleben musste, um ihn zu verstehen. Weil er in dieser einen speziellen Situation großartig war, ohne das Umfeld und den Aufbau mit Abstand betrachtet aber flach wirkt. Wäre doch nur jemand dabei gewesen...

Umso toller ist es dann, wenn man Derartiges gemeinsam erlebt, sich ansehen kann, die Reaktionen teilen. In Glücksmomenten fällt man sich um die Arme, in traurigen Momenten stützt man sich. In romantischen Momenten knistert es und in überraschenden Momenten erlebt man die Überraschung in Gesellschaft so sehr viel intensiver als alleine. Und nun wären wir auch am Punkt in dieser schwafelnden Einleitung angelangt, an dem ich traditionell den Bogen zum Wrestling Business spanne. Denn gerade in den hier erzählten Geschichten und den dargestellten Situationen ist Interaktion zwischen mehreren Personen elementar und grundlegend entscheidend für Erfolg oder Mißerfolg eines Momentes.

Das Bilden eines neuen Teams, der Streit langjähriger Weggefährten. Beziehungskisten und Familendramen. Das ist der Stoff, aus dem gute Skripte sind, das ist der Stoff, aus dem man intensive Fehden schneidern kann und die Menschen damit motiviert, die Shows anzusehen und die Pay-Per-Views zu bestellen. Denn dadurch, dass jeder Fan solche Geschichten schon selber miterlebt hat, kann er sich mit dem Gesehenen identifizieren und nimmt den Schauspielern ihre Rollen ab. Er glaubt ihnen was sie tun und steigt somit in ihre Welt ein - der Booker hat an genau diesem Moment einen hervorragenden Job gemacht, denn durch die mentale Einbeziehung des Fans hat er die Grundlage für das geschaffen, was en Fan das Produkt lieben lässt: Momente.

Hart is stronger than Hatred
Die Familenkiste der Harts hat für unzählige Momente gesorgt. Einen der wichtigsten aus dem Jahr 2003 haben wir bereits abgehandelt - wie so oft folgt auf einen erbitterten Streit aber auch eine pompöse Versöhnung und genau das war es, was am 31.03.1997 passierte. Owen bestritt einen Kampf gegen seinen Schwager, den British Bulldog Davey Boy Smith. Der Kampf war des Resultat eines Streits der beiden, die als Tag Team unterwegs waren, aber immer mehr Probleme miteinander bekamen. Einzig die Tatsache, dass sie Bruder und Schwager Bret Hart blöd fanden, hielt sie noch zusammen.
In besagtem Match der beiden gegeneinander ging es hart zur Sache. An einem Punkt des Kampfes schnappte sich Davey Boy Smith einen Stuhl und wollte seinen Gegner mit diesem attackieren. Jetzt war klar, dass die Union endgültig zerbrochen war. Weit gefehlt, denn just in diesem Moment betrat der Hitman den Ring und verhinderte den Stuhlschlag. Bret hatte seit seinem Auftritt bei WrestleMania wenige Tage zuvor einen Tweener-Status inne und diesen nutze man nun für den vollständigen Heel-Turn aus. Nachdem er dem Bulldog den Stuhl entwendete, schnappte sich Bret ein Mikrophon und stellte seine beiden Verwandten zur Rede. Er fragte, warum sie sich andauernd bekämpften, sie seien schließlich eine Familie. Alle drei spielten dieses Segment mit so viel Inbrunst. Der Staredown zwischen den Brüder Bret und Owen ist legendär und obwohl dies den Heelturn für den Hitman bedeutete, bekam ich bei der Umarmung der beiden eine Gänsehaut. Der Bulldog schloss sich an und die Hart Foundation war zurück.

"You and me - Summerslam"
Als man die grundunterschiedlichen Charaktere Shawn Michaels und Hunter Hearst Helmsley zu einem Team namens "d-Generation X" formte, wirkte das mehr wie ein liebloses Odd Couple als nach einem großartigen Plan. Sehr schnell, sehr sehr schnell bewiesen uns die beiden Herren und das Booking ihrer Auftritte das Gegenteil. Das änderte jedoch nichts daran, dass der Heartbreak Kid und der aristokratische Snop gimmickmäßig damals in keinster Weise zusammen passten. Die Privatmänner hinter den Charakteren waren allerdings sehr gute Freunde und den "wissenden" Fans war dieser Umstand bekannt. On Air vereinte man also etwas, dass eigentlich nur Off Air eine Verbindung hatte - ein absolut neuartiger Umstand. Auf genau diesem schmalen Grad zwischen Smart-Mark-Booking und Kayfabe-Bruch bewegte sich seither jegliche Geschichte um Triple H und HBK und fast immer funktionierte es blendend.
2002 ware einer dieser Momente, als man erst eine dX-Reunion ankündigte, Triple H dann aber gegen seinen Kumpel turnen ließ. Shawn war seit über vier Jahren inaktiv und trotz des Nostalgie-Momentes fragte sich der Fan damals, was man mit dieser Attacke erreichen wollte - außer Triple H wieder zu dem Monsterheel zu machen, als der er so unheimlich gut ist. Die Woche nach der Attacke gab es eine Video-Konfrontation zwischen Shawn und Hunter. Nach einer Weile Trashtalk fiel dann schließlich der Satz, der zum vermutlich ersten wahren Mark-Out im neuen Jahrtausend bei mir und wahrscheinlich vielen anderen HBK-Fans führte. Shawn Blickte mit starrem Blick in die Kamera und besiegelte sein In-Ring-Comeback mit den Worten: "You... and me... Summerslam.".

Top of the World
Ähnlich wie die Formierung von Triple H und HBK begründet sich auch dieser Moment, der sich bei WrestleMania 20 ereignete. Teilnehmer des Momentes waren Eddie Guerrero und Chris Benoit, die damals drei elementare Sachen gemein hatten: Sie waren zwei der besten In-Ring-Performer, sie wurden immer unten gehalten und gewannen nie das große Gold als Lohn ihres Könnens und drittens: Das Publikum liebte sie, weil sie so unglaublich authentisch und so unglaublich gut waren. Zwei der besten und beliebtesten Performer, die es in der Welt von Vince McMahon aber nie an die Spitze schafften. Anfang des Jahres passierte dann etwas, dass die Internet-Gemeinde als Huldigung ihres Fan-Daseins anerkannte, die ihnen McMahon zum zwanzigsten Jubiläum seiner größten Kreation bescherte. Chris Benoit gewann den Royal Rumble. Beim darauffolgenden Pay-Per-View gewann Eddie Guerrero ganz unverhofft den WWE Title und beide Männer standen in den Main Events der vielleicht größten Wrestling-Show aller Zeiten. Eddie besiegte Kurt Angle und Chris besiegte Shawn Michaels und Triple H. Nach diesem Gewinn des World Heavyweight Titles im Main Event kam Eddie Guerrero mit seinem Gürtel zum Ring und umarmte Chris Benoit. Im Anschluss feierten die zwei im Konfetti-Regen miteinander. Das besondere daran war nicht nur die Befriedigung und die Gewissheit, dass es niemand besseren geben könnte, der dort gerade im Ring steht - sondern die Tatsache, dass Eddie und Chris storylinetechnisch im Jahr 2004 nichts miteinander zu tun hatten. Sie standen dort nur zusammen, weil sie im wahren Leben Freunde waren. McMahon schenkte den beiden diesen Moment, er schenkte den Fans diesen Moment und er machte damit zwei seiner größten Stars unsterblich.

Big Red Debut
Familie und beste Real-Life-Freunde beschrieben die Momente 8 bis 6. Um Familie geht es bei der Eröffnung der Top 5 auch irgendwie, aber dieses Mal schuf man einen Mega-Moment, ohne dass man sich des Real Life bedienen musste. Im Mittelpunkt des Interesses stand im Jahr 1997 wie so oft der Undertaker. Damals fehdete er gegen seinen langjährigen Mentor Paul Bearer, der in einer der meiner Meinung nach besten Promos aller Zeiten androhte, ein dunkles Geheimnis über den Deadman zu enthüllen, sollte sich dieser Bearer nicht unterwerfen. Das Mystikum begann, als Bearer die Worte sagte "Kane lebt". Es begann eine Storyline, die aufdeckte, dass der Undertaker einen Bruder hatte, der durch ihn verschuldet als Kind bei einem Brand ums Leben kam. Kane, so der Name des Bruders, starb damals aber nicht wirklich und wurde von Paul Bearer heimlich groß gezogen und zu einer irren Kampfmaschine herangezogen - oder so...
Auf jeden Fall zog sich die Geschichte über viele Wochen hin und wurde immer spannender und intensiver. Bei Bad Blood 1997 hatte der Undertaker ein Hell in a Cell Match gegen Shawn Michaels zu bestreiten. In diesem Kampf ertönte erstmals die Kirchenorgel und Kane betrat das Rampenlicht. Ein Staredown der in die Geschichte einging und eine der wohl besten und langwierigsten Fehden bei WWE eröffnete. Noch heute, mehr als zehn Jahre später, zerrt fast jeder gemeinsame Auftritt von Kane und dem Undertaker von der Mystik dieses einen Momentes.

Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!