"Einfach unbezahlbar"

Wenn World Wrestling Entertainment in etwas schon immer sehr sehr groß war, dann in große Stars klein halten. Was geht nicht immer für ein Raunen durch die Fangemeinde, wenn WWE die talentiertesten Stars aus der Independent-Szene abgreift. Matt Sydal, CM Punk, Low-Ki, Paul London – große Stars fernab des Mainstream, die plötzlich auf die große Bühne schritten. Punk, das war wohl das erste wirklich gute Beispiel dafür, dass es möglich war, diesen Schritt zu gehen – alles was zuvor lief, war irgendwie lieblos und am Ziel und an den Möglichkeiten vorbei geschossen. Paul London galt als Übertalent und seine Verpflichtung zu Zeiten, in denen WWE wenigstens noch versuchte, etwas wie eine Cruiserweight-Division am Leben zu halten, war eine kleine Sensation. Doch London spürte den harten Schlag der Mainstream-Politik und war halt einfach nur noch einer von vielen. Einer, der das Schicksal von vielen teilte: Wirklich – wirklich – verdammt gut zu sein, aber keine Bühne und keinen Rahmen dafür zu bekommen, eben dieses zu zeigen. Spätestens seit dem Ende der WCW traf dies auch auf Billy Kidman zu. Zumindest bekam er die Übernahme-Papiere ins neue Mutterschiff, aber auch er wurde schnell zum austauschbaren Highflyer ohne Profil und Charakter. Konnte es denn tatsächlich sein, dass das WWE-Office ausschließlich aus Holzköpfen bestand, die synthetische Muskelmasse an einem Wrestler wirklichem Talent vorzogen? Es schien so. Einer dieser Holzköpfe verdoppelte jedoch urplötzlich seinen IQ, indem sich ein Holzwurm in seinem Schädel einnistete. Diese hatte das Debakel um den Einsatz von Paul London und Billy Kidman erkannt und flüsterte seinem neuen Wirtskopf zu, dass man die beiden teamen lassen und zu Tag Team Champions pushen sollte. Unser Freund, der Holzkopf, tat dies und es entstand ein sensationelles Tag Team, das eine tolle Fehde mit den Dudley Boyz absolvierte und nette Matches mit den Basham Brothers bestritt. Der Holzwurm blieb auch nach dem Ende der Titelregentschaft unermüdlich und flüsterte unserem Freund zu, dass es eine tolle Idee sei, das Team durch eine Fehde der beiden Mitglieder zu beenden und es startete eine wrestlerisch hochanspruchsvolle Fehde zwischen London und Kidman, die es sogar bis auf eine PPV-Card schaffte. Ein Match zweier Cruiserweights auf einer PPV-Card – das war eine Sensation. So war es auch das Team aus Paul London und Billy Kidman.

Am 23. Mai 1999 starb Owen Hart während eines Stunts im Kostüm des Blue Blazer. Gestartet wurde die Geschichte um das Comeback von Owen’s Alter Ego Blue Blazer rund 6 Monate vor diesem tragischen Unfall und sollte die letzte Storyline des Kanadiers sein. Der Witz hinter der Blue-Blazer-Geschichte war, dass es eigentlich offensichtlich scheinen sollte, dass es Owen war, der sich hinter der Maske verbarg, Hin und Wieder aber sowohl Hart als auch der Blazer gemeinsam im Bild zu sehen waren. Das Ganze löste sich ein wenig auf, da man Owen Hart immer mehr mit Jeff Jarrett und Debra verband. Jarrett und Owen wechselten sich fortan immer mal wieder ab und traten ebenfalls als Tag Team auf. Anfang des Jahres 1999 gelang es Owen Hart und Jeff Jarrett schließlich, das Tag Team Gold zu erringen, was sie endgültig von zwei kooperierenden Einzelwrestlern zu einem Team formte. Owen und Jeff waren genial. Beide in sich die perfekten Midcard-Heels, obendrein verband sie eine Geschichte rund um Debra und zusätzlich noch das Durcheinander um den Blue Blazer. Dieses ganze Szenario schließlich an die Spitze der Tag Team Divsion zu stellen, war eine der besten Entscheidungen seiner Zeit. Nach drei Monaten war es schließlich das Odd Couple aus Kane und X-Pac, das die Regentschaft von Hart und Jarrett beendete und man setzte den Fokus wieder mehr auf die Singles-Karrieren der beiden, speziell auf das Mysterium rund um den Blue Blazer. Wir werden niemals erfahren, was nach dem gebookten Intercontinental-Championship-Gewinn von Owen als Blue Blazer bei Over the Edge 99 passiert wäre – aber ich bin sicher, dass wir noch ganz großes Entertainment von Jarrett und Hart geboten bekommen hätten. Übrig bleibt eines der besten Teams seiner Zeit, bei dem einfach alles funktioniert hat und das es schaffte, so viele unterschiedliche Gimmicks und Facetten gleichzeitig zu bedienen.

Mitte 2007 erfüllte mir World Wrestling Entertainment einen Traum. Einen langersehnten Gimmicktraum, dessen Erfüllung ich so sehr genoss, dass ich Jesse & Festus gar weit vor Teams wie den Brothers of Destruction in dieser Liste stelle. Eine Position, die sie allerdings rechtfertigen müssen und die in 2 Jahren sicherlich nicht mehr unbedingt gesetzt sein muss. Was sich langsam bei den beiden Hinterwäldlern einstellt ist nämlich etwas, was ich gerne als „Eugene-Effekt“ bezeichne – ein Überzeichnen und schauklappenmäßiges Fortführen eines an sich tollen aber eher kurzlebigen Gimmicks. Aber der Reihe nach. Wir befanden uns wie gesagt in der Mitte des Jahres 2007 und bei WWE wurde ein Tag Teams namens „The Daltons“ per Videoeinspieler vorgestellt. Ich liebe ankündigende Videoeinspieler. Nur so nebenbei… Die Daltons, das waren Jesse und Festus. Jesse, der kleine Cousin mit den langen Haaren und der knochigen Nase, der zwar seinem großen Cousin Festus körperlich um einiges unterlegen war, dafür aber den Intellekt von gleich beiden abbekam. Festus war also der große Dumme, mit stets ausdruckslosem Gesicht, der immer von Jesse an der Hand zum Ring geführt wurde. Dann, immer wenn die Ringglocke ertönte, wurde aus dem zurückgebliebenen Hühnerdieb ein raues Monster, er drehte durch, wurde panisch und zerstörte alles und jeden, was ihm in den Weg kam. Das Gimmick ging sogar soweit, dass man Festus in einen kurzen Main Event Spot gegen den Undertaker bookte. Die Grundlage des Gimmicks und des gesamten Aufenthaltes von Jesse & Festus in der Smackdown’schen Tag Team Division beruhte somit auf Comedy – leider übertrieb man es zum Ende hin ein wenig damit. Genau dieses Ende und das damit verschenkte Potenzial sollte das Team eigentlich gut und gerne 30 bis 40 Plätze in dieser Liste kosten – die Tatsache, dass sie im Zuge dessen aber Kenny Dykstra öffentlich zur Witzfigur gemacht haben, holt das locker wieder ein. Dieser 23. Platz ist eine Huldigung. Und Hoffnung auf die rettende Kurve zugleich.

Wo wir schon mal in der Gegenwart sind, bleiben wir doch auch gleich mal da. Historische Betrachtungen an sich sind die wohl objektivsten, die man überhaupt anstellen kann – schließlich betrachtet man alles mit genügend Abstand und kann Auswirkungen viel besser bewerten, ohne spekulieren zu müssen. Betrachtungen der gegenwärtigen Situation schließen natürlich viele subjektive Faktoren mit ein. Wenn ich schlecht geschlafen und obendrein auch noch Durchfall habe, schneidet ein PPV vielleicht schon mal schlechter ab, als eine Show nach einer Nacht in der ich drei oder vier Mal mit unterschiedlichen… ihr wisst schon was ich meine. Richtig schwierig wird es dann natürlich, wenn man Historisches mit Aktuellem vergleicht – umso höher ist natürlich die Gefahr in dieser Serie, dass ich aktuelle Teams aus der momentanen Euphorie viel zu gut gegenüber seiner historischen Konkurrenz abscheiden lasse. Team Priceless – das sind zwei dieser Figuren. Zwei dieser Figuren, die einfach Spaß machen, aber erst am Anfang ihrer Karriere stehen. So kann es sein, dass sie in zwei Monaten so nerven, dass sie irgendwo um Platz 80 herumgekräpelt hätten, wenn die Serie halt dann entstanden wäre. Genauso kann es sein, dass sie in zwei Jahren die klare Nummer 1 dieser Liste sind, weil sie den aktuellen Weg konsequent weiterverfolgt haben. Das ist auch der springende Punkt. Seid knapp zehn Monaten begeistern uns Ted DiBiase jr. und Cody Rhodes nun schon und speziell in den letzten Wochen durch die Formierung der Legacy scheint kein Ende in Sicht zu sein. Die Einführung als Team war toll. Cody Rhodes war Face und lange Zeit Champion an der Seite von Hardcore Holly. Der Million Dollar Man Ted DiBiase führte seinen Sohn ein, als er eine Siegeszeremonie der Champs unterbrach und kündigte den baldigen Titelgewinn seines Sohnes mit einem Mystery Partner an. Der Mystery Partner war Cody und das Match war Hardcore Holly’s Abschiedskonzert. Schnell mutierten Priceless zum Aushängeschild der Midcard-Heels und selbst der zum Zerbersten langweilige Cody Rhodes erhielt plötzlich Profil. Priceless sind nun Legacy und damit stehen ihnen alle Türen offen. Entweder werden sie im besten Edgehead-Style zu Statisten des eigentlichen Stable-Stars oder sie nehmen die Gruppierung nach Vorbild der Evolution als Sprungbrett für die große Bühne. Ich wünsch es ihnen. Also das mit dem Sprungbrett.

Knapp an der Top20 vorbei geht es für das Team aus dem Super Hero in Training Rosey und der samoanischen Dampframme Umaga. Natürlich lange bevor sie diese Rollen annahmen. Rosey hieß damals schon genauso, hatte halt nur noch keine Superkräfte und Umaga nannte sich Jamal. Damals konnte er sich noch bewegen wie ein Mensch und anstelle von samoanischem Schnaufen, war er in der Lage Wörte zu ganzen Sätzen zu verbinden. Jamal und Rosey waren in den Entwicklungsterritorien der WWE als Island Boys bekannt und bewegten sich vom Gimmick her strikt voll auf der Linie des Samoa-Klischees der Wild Samoans und Headshrinkers. Im Main Roster erhielten sie eine Rundumerneuerung und traten erstmals als Problemlöser an Eric Bischoff’s Seite auf. Der damalige General Manager versprach D’Lo Brown und Shawn Stasiak drei Minuten voller Schmerz, was das neue Team auf den Plan rief und die zwei auseinander nahm. In den Folgewochen nahmen sie sich weitere Größen der Wrestlingzunft vor – Mae Young, Fabulous Moolah, Lilian Garcia und den Schrumpfkopf von Goldust. Wäre das so weitergegangen, hätten Three Minute Warning die Top20 sicherlich wesentlich deutlicher verpasst – mit der Attacke gegen The Big Show begann jedoch ein wirklich schöner Push für die beiden Inseljungs. Bei Smackdown begnügte uns World Wrestling Entertainment zur selben Zeit mit einem Schwulengimmick in der Tag Team Division und als diese ihren Höhepunkt in der Hochzeit der beiden Partner finden sollte, begann man eine der ersten wirklichen Crossbrand-Fehden nach dem Rostersplit, in dem man Three Minute Warning auch hier eingreifen ließ. Crossbrand-Fehden waren damals noch etwas sehr besonderes und die Tatsache, dass es zwischen den beiden wohl aktuell heißesten Teams der jeweiligen Roster stattfand, verschärfte das ganze nur noch (uaaah, ich hab grad das Wort „heiß“ und „verschärft“ in einem Satz verwendet, in dem es um Billy & Chuck ging). Leider ging es nach dieser Fehde mit dem Push von 3MW schnell zu Ende und die Entlassung Jamals knapp ein Jahr nach dem Debüt setzte den endgültigen Schlussstrich unter ein absolut überzeugendes Team.

Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!