Previously on Instant Heroes…Mit einem Kindheitstraum begann unsere weite Reise in die Welt der Helden, die sich in Momenten schufen. Überraschende Siege, ein einfaches 1,2,3 folgten und es endete in der Rache eines einzelnen Mannes, der Geld und Anstellung dafür erhielt, um sich vor Millionenpublikum von dem Mann verprügeln zu lassen, der ihm im wahren Leben die Freundin ausgespannt hatte. Seien wir mal ehrlich – so toll die erste Attacke von Matt Hardy gegen Edge auch war, betrachten wir den Gesamtverlauf der entstandenen Fehde, dann wäre Matt doch wohl eher etwas für die Rubrik des Instant Fools gewesen, denn des wirklichen Helden. Doch dafür reichte es bisher aus, bei der bis dato größten Wrestlingshow der Geschichte stilecht auf den Allerwertesten zu plumpsen oder sich bei einem Live-Interview mit dem Produzenten zu besprechen. Kleine Verfehlungen, unbewusst, ganz sicher unbeabsichtigt, mit kaum nennenswerten Auswirkungen. Heute, da wird es weitaus politischer. Wir lernen die Politik eines Regimes kennen, den Abschied von der politischen Bühne und die Anspielung auf eine politische Epoche, die wohl nicht das erreichte, was sie erreichen sollte…


Doch losgehen soll es mit einer gänzlich unpolitischen Geschichte. Keine Machtspielchen, keine Intrigen und wenn wir es auf Biegen und Brechen vergleichen wollen mit einem politischen Parallelszenario, dann reden wir hier vom Wahlsieg einer Piratenpartei über die allseits beliebten Christdemokraten. Der Smartmark wünscht es sich, weiß aber eigentlich, dass es Mumpitz ist. Ja, gebt es ruhig zu: Genau deshalb sind wir doch alle Wrestlingfans – weil Mumpitz ebenso elementarer Bestandteil der Realität ist wie Gesetze logischen Denken und Handelns. Das Verteilungsverhältnis soll mal jeder für sich hinzudenken, denn langsam probe ich den Schwenk vom Sarkasmus ins WWE-Jahr 2004, Year Two nach dem Rostersplit und Plattorm der Welt erster Draft Lottery nach eben jener Trennung zwischen RAW und Smackdown. Ja, und damals bedeutete es noch etwas. Man nahm sich und sein Vorhaben, zwei vollständig autarke Sendungen zu haben, in vollem Maße ernst und wenn – ja, wenn man sich denn mal für eine Cross-Brand-Geschichte entschied, dann nur um etwas Großes zu schaffen. 2004 also fand der erste Trade statt und es gab schon reichlich Tohuwabohu. Zunächst der Schocker: Mr. Ego (und damals sah man ihn fast uneingeschränkt in dieser Rolle) Triple H sollte tatsächlich das Flaggschiff RAW in Richtung B-Brand verlassen? Natürlich nicht – zum Tausch gab es mit den Dudleys und Booker T gleich drei Ausgleichsdrafts. Ja, und einmal mehr wurde die Backstagerolle des Herrn Helmsley on Air zur Schau gestellt und jedermann war am Fluchen. Mit dem Trade erwischte es allerdings auch beim blauen Brand einige Männer – so unter anderem eine Hälfte des World’s Greatest Tag Team, womit das Team gesplittet wurde. Shelton Benjamin und Charlie Haas waren zwar akzeptiert fantastische Athleten, besaßen aber einzeln kaum mehr Profil und Charisma als ein Geodreieck. Schon beim nächsten RAW sollte Shelton dann dem „wiedergekehrten“ Triple H zum Fraß vorgeworfen werden – doch was passierte? Genau, Wahlsieg für die Orangenen! Einroller, 1 und 2 und 3 – und Triple H war besiegt. Der Mann mit dem Ego, das dicker war als Ottfried Fischer, ließ sich plötzlich von einem unscheinbaren Midcarder besiegen. 2 Wochen in Folge. Das war der Beginn einer einzigartigen Karriere – und noch heute schwebt Shelton ein wenig auf dieser 5 Jahre zurückliegenden Heldentat. Noch immer wenig Profil, doch seither mischte er pausenlos in den Midcards aller Shows um die diversen Gürtel mit. Dieser eine Sieg machte aus Shelton Benjamin den Shelton Benjamin, den wir heute kennen. Der zwar auf den ersten Blick langweilig und bedeutungsschwach wirkt, mit dem man aber jederzeit rechnen muss.

~

Das war schon was. Möglich war das alles allerdings nur, weil Tripe H zum damaligen Zeitpunkt mal ausnahmsweise keinen Gürtel innehatte. Anders war das im Jahr 2000 – die d-Generation X rund um den Nasenmann erlebte seinen großen zweiten Frühling und Hunter war unangefochtene Leitfigur von World Wrestling Entertainment. Man lebte diese Macht on Air so richtig schön aus und schaffte es wirklich, das Publikum gegen sich aufzubringen. Helmsley hatte den Gürtel und man wollte einfach sehen, wie ihm irgendwer in den Hintern tritt – der „Cena-Effekt“, weit vor dessen Erscheinen. Absehbar war das allerdings lange nicht. Durch die Rückendeckung des Chairmans waren sich Triple H und seine Mannen nicht mal schade genug dafür, Referees zu verhauen – Leidtragender Nummer 1 war Earl Hebner, seines Zeichens seit Ende 1997 eigentlich Ehrenmitglied der d-Generation X. Nun ergab es sich also an einem Montagabend im April 2000, dass Triple H mal wieder zu Beginn der RAW Show eine dicke Lippe riskierte. Dieses rief einen jungen Chris Jericho auf den Plan, der gerade einen sehr gelungenen Face-Turn hinter sich hatte, aber natürlich noch weit davon entfernt war, in Hunter’s Liga zu spielen. Es roch schon zu Anfang der Promo nach „Opfer“, doch weil man beide in ihren Rollen mochte, ließ man sich drauf ein. Ende des Spiels war ein direkt an die Promo folgendes Match, bei dem Jericho es sogar schaffte, dass Triple H seinen Gürtel auf’s Spiel setzte. Schade eigentlich, mit ein wenig Aufbau hätte das einige Monate später wirklich eine nette Fehde werden können. Aber wie gesagt – noch war es für Jericho zu früh. Mitten im Match, in dem man Y2J erstaunlich stark darstellte, ging mit Mike Chioda der offizielle Ringrichter KO und Earl Hebner machte seinen Run-In. Jericho setzt zum Cover an, Hebner zählt schneller als der Stromzähler eines Media Marktes und plötzlich ist Jericho Champion. Jericho ist Champion? Moment? Verdammte Tat – es sollte tatsächlich so sein. In diesen Minuten wurde Chris Jericho zu etwas wie dem Prototypen des Instant Heroes, wobei sein Heldentum wirklich so „instant“ war wie bei kaum einem anderen in dieser Reihe. Denn noch am selben Abend bekam er das Gold schon wieder aberkannt und begann mit diesem Schritt die Jagd nach seinem ersten offiziellen großen Gold. Aber man schaffte es – es gelang WWE, dass wir gebannt und mit offenem Mund staunend vor dem Fernseher saßen. Ein heroischer Moment, einer der größten seiner Zeit.

~

Vergisst man mal alles bisher geschriebene, sogar den Anfang des letzten Satzes und ließt nur die letzten fünf Wörter, dann lässt sich erahnen, wer unser nächster Held sein wird. Und ja, er wird ein Held sein, womit klar sein dürfte, dass wir unseren heutigen Fool bis zum Ende aufsparen. Fünf Wörter – „einer der größten seiner Zeit“. Hulk Hogan, The Undertaker, Bret Hart, Shawn Michaels – womöglich die einzigen Namen, warum man Ric Flair bloß „einen der größten seiner Zeit“ und nicht „DEN unmissverständlich größten seiner Zeit“ nennen darf. Und ja, darüber lässt sich ebenfalls streiten. Streiten lässt sich auch über die Frage, ob jemand wie ein Ric Flair überhaupt ein „Instant Hero“ sein kann. Jemand, der eh ein Held ist, also eigentlich ein Permanent Hero. Wie soll so einer durch einen speziellen Moment zu einem Helden werden, wenn er es doch eh sowieso schon ist? Eine gute Frage, wie ich finde, die sich hoffentlich in der Beschreibung dieser Situation selbst beantworten wird. Eigentlich reicht es auch aus, nur das Stichwort „WrestleMania 24“ zu nennen – der Rest ist Geschichte und trotzt jeglicher Beschreibung. Und doch will ich hier diesen einen Moment nennen, das Ende des letzten Matches der ernstzunehmenden Karriere des Ric Flair. Er liegt am Boden, blutüberströmt, am Ende all seiner Kräfte. Dann plötzlich bäumt er sich tatsächlich noch ein Mal auf, schafft es auf seine wackeligen Beinchen, schaut seinem Gegner Shawn Michaels gebannt ins Gesicht und erhebt seine zum Kampfe geballten Fäuste. Nur um ohne jegliche Deckung auch noch den letzten Kick ans Kinn zu empfangen. Das letzte Aufbäumen des Ric Flair – ein ewiger Moment, der alles überstrahlte, was an diesem Abend, in dieser Woche, vielleicht sogar in diesem Wrestlingjahr passierte. Ric Flair war zu diesem Zeitpunkt wieder der Held seiner großen Jahre, der Nature Boy, und wenn irgendein Moment jemanden wirklich in voll blühender Emotion zu einem Helden machte, dann waren es diese wenigen Sekunden im Leben des Ric Flair.

~

Genug des Pathos, kommen wir endlich zum einleitend versprochenen politischen Eklat. Ein Eklat, der eigentlich nur zu ein wenig Heat führen sollte, auf einer unbeachteten Bühne – mit Folgen, die sich unser Hauptdarsteller John Bradshaw Layfield nicht im Traum hat erahnen lassen. Mal ehrlich, JBL war immer ein fantastischer Heel – er wusste es, das Publikum gegen sich aufzubringen und war dabei stets kreativ und wandelbar. In Amerika ist es immer einfach, Heat zu erzeugen: einfach mal das hiesige Football-Team beleidigen. Alternativ kann man auch andere Lokalmatadoren durch den Kakao ziehen oder Misserfolge betonen. Also frei nach dem einfachen Prinzip: Dissen von Erfolgen, Rumreiten auf Misserfolgen. Plötzlich steht besagter JBL in Deutschland und wie immer darauf erpicht, so viel Buhrufe wie nur irgend möglich zu kassieren. Football ist hier aber blöderweise so präsent wie Kühlakkus in der Antarktis, wirkliche Lokalmatadoren in der Prominenz gibt es genauso wenig wie überschwänglichen Patriotismus. Das einzige was Deutschland liebt ist der Fußball, doch es war anscheinend selbst dem fernen Bradshaw bewusst, dass die USA weit davon entfernt sind, auch nur mit Deutschland über Fußball reden zu dürfen. Was blieb also als letzte Waffe? Genau – das Herumreiten auf Misserfolgen (wie gesagt, Misserfolge außerhalb der Welt des runden Lederballs). Tja, und was gab es da an Fehltritten, die auch dem gemeinen angetrunkenen deutschen Pöbel etwas sagen? Ganz genau, das dritte Reich. Schwupps setzte Layfield also zum Stechschritt an und hob die Hand zum Gruße. Es folgten vier Schritte in dieser Pose, die gewünschte Heat ließ nicht lange auf sich warten – doch die Medien fanden das weniger witzig und so kam es, dass JBL nicht nur arg in seinem Push gedrosselt wurde, nein, obendrein verlor er auch gleich seinen Job als Co-Moderator einer amerikanischen Börsenshow. Dabei hatte er es doch nur gut gemeint und wollte in seiner Rolle bleiben. Wie heißt es so schön? Ein Satz mit X… Daher ist unser heutiger Instant Fool mal wieder ein ehemaliger World Champion, der sich dadurch qualifizierte, just die falsche Handbewegung zur falschen Zeit am falschen Ort zu machen.

Das ist vielleicht Deine Meinung, Mann!