Wir befinden uns auf dem Treppchen dieser Reihe und Glen Jacobs muss sich aus nur einem Grund mit der Bronze-Medaille zufrieden geben und der besteht darin, dass ich hier ausschließlich die Karrieren bei World Wrestling Entertainment betrachte. Würde ich auch seine Zeit bei der USWA bewerten, in der er neben seinem bürgerlichen Namen auch als „Doomsday“ und „Christmas Creature“ auftrat, seine Zeit in Europa als „Spartacus“ oder das kurze Smokey-Mountain-Gastspiel als Al-Snow-Weggefährte „Unabomb“ dann wäre Bronze definitiv eine Beleidigung für Glen Jacobs. Aber wie gesagt, wie in allen Reihen geht es auch hier ausschließlich um World Wrestling Entertainment. Ja, und dort debütierte der gute Glen Jacobs im Jahr 1995. Zwar hatte er bereits bei den 1993er Survivor Series ein Match als maskierter Ritter im Team von Shawn Michaels da er zu dieser Zeit aber nicht unter WWE-Vertrag stand, bezeichne ich seinen Auftritt nach dem „Kiss my Foot“-Debakel beim King of the Ring 1995 mal als sein WWE-Debüt. Dies geschah innerhalb der besagten „Kiss my Foot“-Fehde zwischen Bret Hart und Jerry Lawler, bei der der King letztlich an seinen eigenen ungewaschenen Zehen nuckeln musste. Daraufhin hatte Lawler einige Promos bei seinem Zahnarzt, indem er die Fehde mit dem Hitman fortzusetzen schien. Passend zur Absurdität des laufenden Jahrzehnts, präsentierte er sich jedoch nicht selbst als Herausforderer für Bret Hart sondern eben diesen seinen Zahnarzt. Dr. Isaac Yankem D.D.S.. Das war sehr hart, selbst für einen Gimmickfan wie ich es damals schon war. Yankem hatte blonde Locken, einen hellblauen Zahnarzt-Anzug und Zähne gegen deren Qualität Snitzky’s Beißwerk Dr-Best-Werbe-tauglich wäre. Bis heute konnte ich nicht herausfinden, was Bret Hart damals verbrochen hatte, dass man ihn mit einer derartigen Storyline und natürlich einem derart abwegigen Charakter wie Jerry Lawler’s Zahnarzt in eine Storyline verstrickte.
Der eigentlich leidtragende war jedoch nicht der Hitman, die eigentliche arme Sau in diesem Szenario war Glen Jacobs. Während er in den meisten Trash-Gimmicks seiner Independent-Vergangenheit wenigstens noch mit Masken vor weitreichender Scham bewahrt wurde, schien man ihm mit dem Yankem-Charakter auf ewig sein Gesicht im Sports-Entertainment gebrandmarkt zu haben. Die wirkliche „Brandmarkung“ von Glen Jacobs vollzog sich allerdings erst 2 Jahre nach dem Ende des Yankem-Charakters. Vorher brachte man ihn allerdings noch einmal unter einem anderen Gimmick in die WWF-Shows, dass seither niemals an Blödheit überboten wurde. Nach dem schmerzhaften Abgang von Diesel und Razor Ramon in Richtung WCW hatte die WWF schwer am Verlust zweier seiner größten Stars zu knabbern. Man Strich Jerry Lawler’s Zahnarzt also schwarz an, zog ihm die ausrangierten Klamotten von Kevin Nash über und ließ ihn als „Diesel“ antreten als eben den Charakter, der kurz vorher die Liga verließ und zusammen mit Scott Hall und Hulk Hogan bei World Championship Wrestling absolute Wrestlinggeschichte schrieb. Natürlich wollte man dem Publikum nicht wirklich weiß machen, dass dies der echte Diesel sei man wollte lediglich beweisen, dass das Gimmick den Erfolg bringt und nicht etwa der Schauspieler dahinter (also Kevin Nash). In der Wissenschaft hätte man mit diesem Versuch eines Beweises vermutlich keinen Nobelpreis gewonnen und Glen Jacobs‘ Run als Fake Diesel dürfte als schlechtestes Gimmick der 90er-Jahre in die Geschichte eingehen. Wer hätte das so kurz nach seinem Auftritt als Jerry Lawler’s Zahnarzt für möglich gehalten?
Aber nun endlich zur angesprochenen Brandmarkung des Glen Jacobs. Dieser arme Kerl hat in seiner Karriere so viel über sich ergehen lassen, so viel Demütigung erfahren. Im Oktober 1997 wurde dann alles anders, es wurde alles gut. Der Undertaker hatte sich zu diesem Zeitpunkt mit seinem ehemaligen Mentor Paul Bearer in den Flicken und in einer der legendärsten Promos dieser Zeit eröffnete Paul Bearer die legendäre Storyline um das Debüt von Kane dem totgesagten Bruder des Deadmans. Es war abgehoben, es war gewagt, aber es war der verdammt noch mal beste, was man dem WWE-Publikum seit langem geboten hatte. Glen Jacobs trug nun wieder eine Maske und wurde von seinem Debüt an in den Himmel gepusht. Das stellte sich anfangs sogar dadurch dar, dass man das Hallenlicht während seiner Matches entsprechend des Kane-Gimmicks nie anstellte und ihn in einem flimmernden roten Lichtschweif kämpfen ließ. Es war gigantisch, wie man Kane damals in die Shows einführte und bis zum elendig lang heraus gezögerten Aufeinandertreffen mit dem Undertaker aufbaute. In kürzester Zeit schaffte man ein Abbild eines der erfolgreichsten Gimmicks der Unternehmensgeschichte, ohne Kane als Undertaker-Kopie aussehen zu lassen. Man hielt das Publikum mit dem Zusammenspiel der beiden Figuren immer wieder in Atem, ließ sie sich vereinen und trennte sie wieder.
Nach seinem ersten Face-Run, den er ohne Zusammenwirken mit dem Undertaker bestritt zertörte man durch dummes Gebooke leider viel der Magie von Glen Jacobs‘ Figur, schaffte es glücklicher Weise aber immer wieder, Kane mit Erfolg zum unberechenbaren Psycho zu wandeln und das sowohl in der Rolle des Heels als auch in der Rolle des Faces. 2003 ereignete sich dann der wohl größte Wandel in der Karriere von Glen Jacobs als Kane, als er sich nach einer Niederlage gegen Triple H demaskieren musste. Viele Kritiker beschriehen diesen Zeitpunkt als Ende des Gimmicks und sahen einen der besten Charaktere der späten Neunziger als zerstört an und tatsächlich verlor man mit dem Ablegen der Maske wichtige Facetten der Kane-Figur. Durch einen geschickten Aufbau nach der Demaskierung, gepaart mit dem Übergang vom Face zum Tweener und letzten Endes zum unberechenbaren Heel kreierte man jedoch einen komplett neuen Kane, der an die Erfolge seines maskierten Alter-Egos problemlos anknüpfen konnte.
Vier Jahre ist Glen Jacobs nun schon ohne seine Kane-Maske unterwegs und zählt nach wie vor zu den wichtigsten Charakteren im Roster von World Wrestling Entertainment. Ähnlich wie es beim Undertaker zum Ende seines American-Badass-Gimmicks der Fall war, wünschen sich viele Fans noch einen letzten Run als Original-Kane, bevor Jacobs seine Karriere beendet. Die Stimmung wäre sicherlich mit der des Deadman-Comebacks vergleichbar und auch ich bete, dass dies eines Tages passieren wird.
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